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Die Durchschnittsfalle (German Edition)

Die Durchschnittsfalle (German Edition)

Titel: Die Durchschnittsfalle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Hengstschläger
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Vollkommen unumstritten.
2.) All jene Bücher, die allerdings daraus schließen, dass genetische Anlagen überhaupt keine Rolle für die Erbringung von besonderen Leistungen spielen, haben unrecht. Der Mensch mit all seinen Eigenschaften und Leistungen ist das Produkt der Wechselwirkung zwischen Genetik und Umwelt. Beim einen Mal spielt das eine, beim anderen Mal das andere eine größere Rolle. Was mich an vielen dieser Bücher stört, ist der nicht zulässige Umkehrschluss. Wenn es doch klar ist, dass Üben größte Bedeutung hat, so heißt das nicht, dass jeder, der gleich viel übt, das Gleiche erreicht. Und das wird leider des Öfteren suggeriert. Nicht jeder, der 10.000 Stunden übt, wird ein Geiger von Weltruf, nicht jeder, der im Januar geboren wird und Eishockey trainiert, ein Weltstar, und nicht jede Band, die so viele Auftritte absolviert wie die Beatles, komponiert „Let it be“ oder „Yesterday“.
3.) Viele dieser Bücher treiben den gesamten Text hindurch ein Verwirrspiel dazu, worüber sie eigentlich reden. Zu sagen, „Talent ist erlernbar“, ohne zu definieren, was man überhaupt mit Talent meint, ist lediglich irritierend. Buchstatements wie etwa „Talent wird oft grenzenlos überschätzt“ zeigen diese Problematik klar auf. Diese Statements können mit Talent wohl nur den genetischen angeborenen Anteil einer besonderen Leistung meinen (niemand käme auf die Idee, ein Buch darüber zu schreiben, dass das Ergebnis, also die Leistung selbst, überschätzt wird – oder?). Damit können diese Autoren also offensichtlich nur meinen, dass es so etwas gibt wie ein genetisches Talent und dass man dem unter Umständen nicht zu viel Bedeutung beimessen sollte, weil die Umwelt doch so wichtig ist. Dem schließt sich bedenkenlos auch die oben erläuterte heute vorherrschende wissenschaftliche Meinung an (Umwelt und Genetik).

    Interessanterweise steht aber in vielen dieser Bücher weiters, dass Talent erlernbar ist. Das stellt jetzt allerdings einen Widerspruch dar. Jetzt meinen die Autoren mit demselben Wort offensichtlich das Produkt, also die erbrachte Leistung (die unumstritten durch die Wechselwirkung besonderer Leistungsvoraussetzungen und harter Arbeit entsteht). Malcolm Gladwell schreibt im Kapitel „Die 10.000-Stunden Regel“ seines Bestsellers „Überflieger. Warum manche Menschen erfolgreich sind – und andere nicht“: „Gibt es so etwas wie angeborenes Talent? Die meisten von uns würden diese Frage vermutlich mit Ja beantworten. Nicht jeder im Januar geborene Eishockeyspieler wird ein Profi. Das schaffen nur wenige, und zwar die mit dem angeborenen Talent. Leistung ist Talent plus Ausbildung. Nur: Je genauer sich Psychologen die Biografien der Begabten ansehen, umso unwichtiger wird das Talent und umso wichtiger die Ausbildung.“ Ich finde dieses Buch wirklich äußerst spannend mit vielen großartigen Ideen. Ich kann auch mit der Meinung, dass bei Eishockey die Ausbildung eine enorme Rolle spielt, sehr viel anfangen. Was ist allerdings mit dem Begriff „Begabten“ in diesem Zitat gemeint? Auch die deutsche Übersetzung des Buches Gladwells (im englischen Original lautet der Titel „Outliers. The Story of Success“) verwendet die Synonyme „Begabung“ und „Talent“ offensichtlich einmal für die angeborene Leistungsvoraussetzung und einmal für das Produkt, die erbrachte besondere Leistung.
    Ich will wirklich nicht kleinlich sein – und gerade bei einem so spannenden und ideenreichen Buch. Aber vielleicht ist die Polarisierung der Diskussion um Genetik und / oder Umwelt auch nur das Resultat einer etwas saloppen Verwendung bestimmter Wörter. Wir alle machen das – niemand ist davor gefeit. Ich versuche in diesem Buch das Wort Talent oder Begabung vorwiegend für die besonderen individuellen genetisch mitbestimmten Leistungsvoraussetzungen zu verwenden. Der Erfolg ist für mich die besondere Leistung, die durch harte Arbeit daraus entstehen kann.
    Genetisch, weil vererbt?
    Zum Abschluss dieses Kapitels will ich noch ein anderes oft verwendetes Argument für genetische Aspekte von Begabungen zumindest infrage stellen. Die Tatsache, dass große Musiker häufig Kinder mit Musikerkarrieren oder erfolgreiche Sportler oft auch enorm erfolgreiche Sportler als Kinder haben, führt heute noch immer wieder zu Diskussionen über Familien mit bestimmten offensichtlich vererbten Talenten. Im Juni 2007 fand in Wien eine öffentliche Podiumsdiskussion statt, an der neben anderen der

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