Die Durchschnittsfalle (German Edition)
Biochemiker Prof. Roger D. Kornberg, der den Nobelpreis für Chemie im Jahr 2006 erhielt, und auch ich teilnahmen. Roger D. Kornberg ist beeindruckenderweise der Sohn des Biochemikers Prof. Arthur Kornberg, der 1959 den Nobelpreis für Medizin bekam. Als er nach der Veranstaltung von einem Journalisten darauf angesprochen wurde, zwinkerte er mir zu, sagte „It’s all about genes!“ und hat lachend mit den Achseln gezuckt. Es war uns allen mehr als klar, dass man den Nobelpreis nicht vererben oder ererben kann. Und inwieweit seine Wissenschaftlerkarriere etwas mit seinen Genen zu tun hat, wurde überhaupt nicht weiter diskutiert. Was wir aber diskutiert haben, war die Tatsache, dass sein Vater ihm sicher so manches „vererbt“ hat – ganz ohne Genetik … als Erzieher, als Vorbild, als Freund, als wissenschaftlicher Kollege …
Richard Dawkins spricht in seinem Buch „Das egoistische Gen“ von „Meme“ (Einzahl: das Mem) als Einheiten der kulturellen Vererbung: „Beispiele für Meme sind Melodien, Gedanken, Schlagworte, Kleidermoden, die Art Töpfe zu machen oder Bögen zu bauen. So wie Gene sich im Genpool vermehren, indem sie sich mit Hilfe von Spermien und Eizellen von Körper zu Körper fortbewegen, verbreiten sich Meme im Mempool, indem sie von Gehirn zu Gehirn überspringen, vermittelt durch einen Prozess, den man im weitesten Sinn als Imitation bezeichnen kann. Wenn ein Wissenschaftler einen guten Gedanken hört oder liest, so gibt er ihn an seine Kollegen und Studenten weiter. Er erwähnt ihn in seinen Veröffentlichungen und Vorlesungen. Findet der Gedanke neue Anhänger, so kann man sagen, dass er sich vermehrt, indem er sich von einen Gehirn zum anderen ausbreitet.“ Ich habe gerade die Idee der Meme an Sie, liebe Leserinnen und Leser, „vererbt“, und dies ganz ohne, dass wir verwandt wären.
Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass sich daraus auch ergibt, dass die biologische Elternschaft, was die Weitergabe von genetischen Leistungsvoraussetzungen betrifft, von Bedeutung sein kann, dass aber die Entdeckung und Förderung von Talenten, das Vorbild, die Schaffung und Bereitstellung von Möglichkeiten und vieles mehr auch „vererben“ kann, und das ganz ohne Gene. Und es kommt noch etwas dazu …
Epigenetik und Talente
Der Mensch wird zum Menschen
Den Begriff „Genom“ haben wir bereits an anderer Stelle in diesem Buch einmal als das „Erbgut“ definiert. „Das Genom ist die Gesamtheit der genetischen Information, die mithilfe der DNA vererbt wird“, lautet eine andere oft verwendete Definition. Ein Mensch beginnt durch die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle zu entstehen, wobei zuerst einmal eine einzelne befruchtete Eizelle gebildet wird, aus der sich in Folge der gesamte Mensch entwickelt. Der Körper des Menschen hat unzählige Zellen, aber nur etwa 220 verschiedene Zelltypen – Hautzellen, Nervenzellen, Muskelzellen etc. Wenn in den entsprechenden Fernsehserien einmal aus Blut, einmal aus Samenzellen oder ein anderes Mal aus Hautschuppen DNA isoliert wird, um dadurch den Täter durch sein individuelles DNA-Profil zu überführen, so setzt das etwas Wichtiges richtig voraus. Jede Zelle des Menschen hat das gleiche Genom. Alle Zellen eines Individuums verfügen über das gleiche Erbgut. In jeder unserer Zellen sind die etwa vielleicht 22.500 Gene in unseren individuellen Varianten (einmal vom Vater und einmal von der Mutter) mit unseren individuellen ATCG-Sequenzen vorhanden.
Wenn die Hautzellen, Nervenzellen und Muskelzellen eines Menschen aber genetisch identisch sind, warum sind diese Zellen dann doch so verschieden und haben so verschiedene Funktionen? Die Antwort auf diese Frage ist zumindest teilweise das, was man unter dem Begriff Epigenetik zusammenfasst (es spielen dabei auch noch andere Mechanismen eine bedeutende Rolle). Vereinfacht ausgedrückt verwendet die Hautzelle nur einen Teil der Gene und schaltet eine Vielzahl der vorhandenen Gene einfach ab (sie werden dann nicht in RNA oder Protein übersetzt). Und eine Nervenzelle hat zwar die gleichen Gene, verwendet aber ein anderes Set davon. Alle Zellen besitzen alle Gene. Entscheidend ist, welche Gene davon abgeschaltet sind und schließlich nicht „verwendet“ werden.
Man kennt heute bereits über 20 verschiedene molekulare epigenetische Mechanismen, die die Verwendung unserer Gene steuern können. Viele davon beruhen darauf, dass die DNA sowohl kurz- als auch langfristig Verbindungen mit
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