Die Echsenwelt: Ein Pip& Flinx Roman
er sich endlich die Informationen beschafft hatte, nach denen er suchte. Seine Fragen waren denkbar einfach. Allein die Antworten erschienen unbegreiflich kompliziert.
»Ich muss die Erde so schnell wie möglich verlassen. Und dafür muss ich unbedingt nach Nazca. Dort steht mein Shuttle.«
Der alte Cayacu nickte. »Meinst du, dass die Behörden es mit dir in Verbindung bringen könnten? Falls ja, sinken deine Chancen auf einen konfrontationslosen Abflug nämlich gewaltig.«
»Keine Ahnung.« Flinx dachte einen Augenblick nach. »Gut möglich, dass sie glauben, mich in Tacrica festgenagelt zu haben. Bisher haben sie, nehme ich an, von mir bloß dieses Fahndungsbild, und selbst das basiert nur auf dem Erinnerungsvermögen von Zeugen.«
»Kann man davon ausgehen, dass ihr Erinnerungsvermögen gut ist?« Der Schamane machte einen kleinen Ausfallschritt, um einer aasfressenden Krabbe auszuweichen.
»In einem Fall bestimmt, fürchte ich.« Der Betrug an Elena Carolles belastete ihn noch immer. Doch er war notwendig gewesen. Wie genau war die Beschreibung, die sie den Behörden von ihm gegeben hatte, und wie exakt das daraus resultierende Phantombild, das sicher in rauen Mengen unter die Leute gebracht wurde? »Aber ich hab ziemlich viel Übung darin, meine wahre Identität zu verbergen, wenn's um amtliche Kanäle geht. Und auch die KI meines Schiffs ist es gewohnt, im Falle entsprechender Anfragen nur irreführende Auskünfte zu geben.«
Weise Augen sahen ihn abschätzend an, während sie im Mondlicht gemeinsam den Strand entlangmarschierten. »Du bist ein interessanter junger Mann, Söhnchen. Wie bist du denn zu einem eigenen Shuttle gekommen?«
Flinx versuchte die Sache herunterzuspielen. »Ich hab festgestellt, dass interessante Leute meistens auch interessante Freunde haben. Aus irgendeinem Grund hat man Interesse an meiner Person genommen. Manche waren mir wohlgesinnt, andere feindselig, und der Rest war einfach nur neugierig. Keine Ahnung, warum. Ich bin bloß ein Bürger unter Milliarden.«
»Na komm schon, bist du das wirklich? Ich mach mir da so meine Gedanken, warum die Behörden so wild darauf sind, dir ein paar Fragen zu stellen.« Noch während Flinx fieberhaft nach irgendeinem glaubhaften Märchen suchte, das er dem alten Mann auftischen konnte, winkte dieser bereits mit beiden Händen ab. »Nein, nein, lass gut sein – erzähl's mir lieber nicht. Ich will's gar nicht wissen.« Die Zähne des Alten blitzten in der Dunkelheit auf. »Falls sie mich später holen kommen, um mich in die Mangel zu nehmen, sollte ich besser nur Nichtigkeiten in meinem Gepäck haben. Unwissenheit ist oft der beste Advokat. Es reicht mir, zu wissen, dass du ein Stachel in den Weichteilen der Regierung bist.« Er zeigte nach vorn. »Fast daheim, Söhnchen. Ich hoffe, du bist nicht so ein Stadttyp, dem ohne den ständigen Lärm und Krach etwas fehlt. Hier in diesem kleinen Örtchen schlafen wir in Stille.«
Flinx dachte an den endlosen freien Weltraum zwischen den Sternen, der in den vergangenen paar Jahren die meiste Zeit seine Zuflucht gewesen war. »Ich werde hier ganz hervorragend schlafen, Schamane. Glauben Sie mir, ich weiß, was Stille ist.«
Als sie am nächsten Abend die Küste hinaufschaukelten, fragte sich Flinx mehr als einmal, ob die uralte Klapperkiste von einem Skimmer, die sein Gastgeber sein Eigen nannte, es überhaupt den ganzen Weg bis zum Nazca-Breitengrad schaffen würde. Ganz zu schweigen von der Strecke, die landeinwärts zu dem Hochplateau führte, auf dem der Shuttlehafen lag. Und dadurch, dass Cayacu sich an die eher holprigen Routen abseits der für den Urlaubs- und Güterverkehr angelegten Durchgangsstraßen hielt, trug er nicht eben dazu bei, ihre Chancen zu erhöhen.
Daher war es, als sie schließlich doch wohlbehalten an der Peripherie des Raumhafens ankamen, für Flinx fast so etwas wie ein kleiner Triumph. Die Sonne war schon lange untergegangen, und die einzige Beleuchtung ging von der leistungsstarken Anflugbefeuerung des Ports und von dem Schweif aus kalten Flammen aus, den ein sich mühsam in den Himmel emporhebendes Frachtshuttle hinter sich herzog. Wie geplant hatten sie ihr Ziel erst nach Einbruch der Dunkelheit erreicht: Je schlechter die Fahnder sehen konnten, desto größer die Chancen auf einen reibungslosen Abflug.
Zweifellos war der automatische Scanner am Chungillo-Gate von den beiden verdreckten, vermummten Gestalten, die im vorderen Teil des altersschwachen Skimmers
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