Die Echsenwelt: Ein Pip& Flinx Roman
Blick des jungen Mannes wanderte über die engen Mauern, die ihn umschlossen, und über den Toten und den Bewusstlosen, die auf dem Boden lagen. »Ich hab tatsächlich ein Ziel, und dieser Ort hier ist es definitiv nicht.«
»Hätte mich auch gewundert.« Abermals bedeutete ihm der seltsame Greis, ihm zu folgen. »Komm und unterhalt dich ein wenig mit einem müden alten Mann. Die Behörden tolerieren zwar jemanden wie mich, aber was ich tue, passt ihnen gar nicht. Es wird mir ein Vergnügen sein, ihnen ein bisschen Sand ins Getriebe zu streuen.« Er schüttelte den Kopf. »Acht gegen einen«, murmelte er. »Besser, du hältst dein Tier unter Verschluss.«
Es war zwar nicht der älteste Skimmer, den Flinx bisher zu Gesicht bekommen hatte, aber er war ziemlich nah dran. Cayacu lotste ihn aus dem Stadtkern heraus und durch die Vororte und nahm Kurs aufs Meer. Als sie den Strand erreicht hatten, drehten sie ab und flogen Richtung Norden. Ächzend und klappernd pflügte das Gefährt durch die Nacht, während der Halbmond reglos über dem Pazifik hing und der See den Glanz von poliertem Stahl verlieh. Schon bald waren sie ganz aus der Stadtzone heraus und ließen das dicht erschlossene Erholungsgebiet hinter sich. Da sie sich nach Norden bewegten, exakt in die Richtung, in die er musste, hatte Flinx keinen Grund, etwas gegen die Route, die sein Chauffeur flog, einzuwenden.
Hin und wieder verlor das arg in die Jahre gekommene und geschundene Vehikel an Leistung, sodass sie etliche Male vom Boden abprallten und das grasbedeckte Band, das die Hauptstraße nach Norden darstellte, um die eine oder andere hässliche Delle bereicherten. Schließlich verließ der Schamane die Straße und wandte sich, einem schmalen, durch Stein und Sand führenden Pfad folgend, abermals seewärts. Infolge mangelnder Bewässerung wies das Terrain hier wieder seine ursprüngliche Zusammensetzung aus Kieseln, Sand und grobkörniger Erde auf. Und so blieb es. Hunderte von ereignislosen Kilometern die Küste hinauf.
Endlich tauchten in der Ferne einige Lichter auf. Einfache, jedoch gut erhaltene Häuser schmiegten sich an das Südufer eines kleinen Flusses. Im Bereich seiner Mündung hielten schneeweiße Reiher die Wacht, die die Lichter wider alle Erwartung weit an Zahl übertrafen. Um diese Zeit schliefen die Vögel. Nur hier und da hob sich vereinzelt ein Kopf, flatterte unruhig ein Paar Flügel, als der keuchende Skimmer an ihrem Ruheplatz vorüberschwankte.
An einem verdeckten Landeport, der an ein unscheinbares einstöckiges Gebäude aus selbsthaftenden Ziegeln und Steinimitat angebaut war, brachte Cayacu das Fahrzeug zum Stehen. Im Norden der Ortschaft schob sich eine steile Landzunge ins Meer. In das Licht des Halbmonds getaucht, schimmerte der beigefarbene Sandstein beinahe wie Gold. Kleine Wellen leckten ohne Unterlass an dem nahe gelegenen Strand.
Mit einer knappen Geste bedeutete der Schamane seinem Gast, mit ihm zu kommen. Dann zwängten sie sich aus dem stinkenden Skimmer heraus und gingen zur Vordertür. Flinx durchquerte den überdachten Anbau und folgte seinem Begleiter ins Haus. Pip hatte nun schon eine ganze Weile geschlafen, und nirgendwo waren Polizisten oder andere Verfolger zu sehen. Flinx gab sich Mühe, seine Gemütsverfassung der des Minidrachen anzugleichen. Von dem kompakten, lauschigen Gebäude, in das er hineingebeten wurde, ging nichts Bedrohliches für ihn aus.
Im Innern herrschte gedämpftes Licht, aber es reichte aus, um alles erkennen zu können. Flinx wurde bewusst, wie erschöpft er war. Doch die Einrichtung war außergewöhnlich genug, um sein Interesse zu wecken und die Müdigkeit zu verscheuchen. Von den konservierten Kaimanen, die ihn mit gebleckten Zähnen von den obersten Borden rustikaler Regale her angrinsten, bis zu den darunter stehenden Fläschchen, in denen irgendwelche undefinierbaren Lösungen glänzten, war das äußere Zimmer ein einziges Sammelsurium aus Ingredienzien für volkstümliche Heilmittel und okkultem Zubehör. Entnommene Tieraugen starrten ihn aus einer dickbauchigen Glasalumflasche stumpfsinnig an, während abgeschnittene Vogelfüße aus einem Kübel herausragten, als handele es sich nur um eine der zahlreichen Abarten von sonderangefertigten altertümlichen Regenschirmgriffen.
»Trockene Kehle?«, fragte Cayacu. Flinx nickte, und der Alte murmelte etwas zu einer Wand. Vergilbte und abblätternde Projektionstapeten schoben sich zur Seite, um eine blitzblanke und durchaus
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