Die Echsenwelt: Ein Pip& Flinx Roman
Seite des Walls erwies sich als genauso fugenlos und rutschig wie die, die er soeben bewältigt hatte. Nicht imstande, seinen Schwung zu bremsen, verlor er den Halt und fiel und fiel und fiel. Der vom Wind umhergewirbelte Sand erhob sich, ihn zu begrüßen.
Nachtmahrgestalten hetzten ihn durch das endlose Labyrinth aus schwarzen Monolithen und Kolonnaden, rätselhaften Obelisken und Wellen von Schlacke, erstarrt unter dem Atem der Zeit. Drohend zuckten ihre Leiber, streckten dunkle Pseudopodien nach ihm aus und versuchten ihn zu Fall zu bringen, während er vor etwas Monströsem floh, das finsterer war als die Finsternis selbst. Wie rabenschwarzer Pudding schien sich das Labyrinth um ihn zu schließen und seinen entkräfteten Körper von den Poren bis zu den Nasenlöchern zu ersticken. Es kroch und verhärtete sich um seine Füße, hielt ihn fest, saugte an ihm mit einer geistlosen Boshaftigkeit, wie sie ihm noch nie zuvor begegnet war.
Hätte er noch die Kraft dazu besessen, hätte er in seiner Bewegungslosigkeit gewimmert.
Ob er aus tiefem Schlaf erwachte oder nach seinem Sturz ohnmächtig geworden war, konnte er nicht sagen. Doch unabhängig davon war es das Geräusch von Stimmen, das ihn aus seiner Gefühllosigkeit riss. Sie waren zischend, neugierig und energisch. Und außerdem nicht menschlich. Er besaß gerade noch genug Geistesgegenwart, um ruhig liegen zu bleiben und die Augen geschlossen zu lassen, während er dem missmutigen Gespräch lauschte, das über und ganz in der Nähe seiner dahingestreckten Gestalt stattfand. Auf seinem Rücken, zwischen den Schultern, bildeten Pips Windungen eine angespannte Last. Nichtmenschliche Emotionen stießen auf sein noch schwach wahrnehmungsfähiges Bewusstsein.
Zum Glück konnte er AAnn verstehen und auch einigermaßen fließend sprechen.
»... ssfwach nez pamaressess leu ciezess ssollten ess sterben lassssen«, sagte die etwas tiefere der beiden Stimmen mit hörbarem Nachdruck.
»Zustimmung. Ess isst nichtss damit gewonnen, ess am Leben zu erhalten«, entgegnete nur allzu bereitwillig die andere.
»Denksst du, ess weiß von dem Transsmitter?«
Es folgte ein kurzes Zögern, bevor die zweite Stimme antwortete: »Ich wüsssste nicht, wie ess dass ssollte. Anderersseitss kann ich mir nicht vorstellen, wass die Kreatur überhaupt hier macht. Doch diesse Frage erübrigt ssich mit ihrem Tod.«
»Sso isst ess.«
Das Geräusch von Schritten drang leise an Flinx' Ohr. Er versuchte, seinen geschwächten, nach Feuchtigkeit lechzenden Körper wieder wachzubekommen. AAnn oder nicht, sie stellten seine einzige, vielleicht letzte Überlebenschance dar. Sicher, gut möglich, dass er den Tod durch Verdursten nur gegen ein wesentlich schmerzvolleres, langsames Ende eintauschte, das er zu einem unbekannten zukünftigen Zeitpunkt unter irgendeinem Verhör finden würde. Aber wie hatte Mutter Mastiff ihn immer so schön gelehrt? Überleben unter selbst ungünstigen Bedingungen bot immer noch weit mehr Möglichkeiten als ein Tod unter exzellentesten Bedingungen. Mühsam stemmte er sich auf einen Ellbogen, winkte kraftlos und öffnete die Augen.
Sein Blick fiel auf die Rückfronten zweier AAnn, die soeben im Begriff waren, sich mit großen Schritten zu entfernen. Jeder der beiden war in einen leichten, lederfarbenen Arbeitsanzug gekleidet, dessen zahlreiche Taschen zum Teil durch irgendwelche undefinierbaren Gegenstände ausgebeult waren oder sich glatt an den schlanken, muskulösen Körper schmiegten. Dunkelbraune Schwänze, gelb gestreift und mit goldgelben Flecken gesprenkelt, ragten aus den Öffnungen an den Hinterseiten der Anzüge hervor. Beide Gestalten waren mit mehrfarbigen Ausrüstungspacks von unterschiedlicher Größe, Form und Beschaffenheit beladen. Aufgrund ihrer Abstammung und Entwicklung an ein Leben in der Wüste gewöhnt, trugen sie weder Kopfbedeckungen gegen die starke Sonne noch künstliche Linsen, die das grelle Licht filterten. Obwohl sie über keine äußerlich sichtbaren Ohren verfügten, war ihr Hörvermögen ausgezeichnet, wie sich an der Heftigkeit, mit der sie beim Klang seiner Stimme herumfuhren, feststellen ließ.
Zusammengerollt auf Flinx' Rücken liegend, machte sich Pip, entkräftet zwar, doch nichtsdestotrotz in hohem Maße erregt, bereit, ihren Gefährten so lange zu verteidigen, wie sie noch Gift zu spucken vermochte. Er flüsterte auf sie ein, versuchte sie zu beruhigen und hoffte, dass sein gutes Zureden sie zur Vernunft bringen konnte.
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