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Die Ecstasy-Affäre

Die Ecstasy-Affäre

Titel: Die Ecstasy-Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Lächeln.
    Habichts Blick blieb an einer Bardame hängen, die gerade einen giftgrünen Cocktail servierte und mit dem Gast, einem Mann mit weißen Locken, ein sichtlich witziges Gespräch führte. Sie hatte hellblonde kurzgeschnittene Haare, eine Ponyfrisur, die ihrem Gesicht etwas Koboldhaftes gab. Die Kosakenuniform paßte zu ihr. So müssen früher die Mädchen am Don ausgesehen haben, dachte Habicht. Oder besser: So stellt man sich eine Russin aus der Steppe vor, eben genauso verkehrt, wie ein Amerikaner, der noch nie in Deutschland gewesen ist, von einem Deutschen denkt, er trüge nur Lederhosen und Gamsbarthut und äße Sauerkraut mit Eisbein. Habicht hatte vor Jahren, zusammen mit Gerda, den Film ›Dr. Schiwago‹ im Kino gesehen, weil so viel von dem Buch gesprochen wurde. An diese Russinnen erinnerte er sich jetzt, als er das Kosakenmädchen hinter der Bar sah. Woher konnte sie kommen? Aus der Ukraine? Aus Weißrußland? Aus den ehemaligen Nordstaaten der Sowjetunion?
    Der Portier unterbrach seine Gedanken. Er stand hinter ihm, lautlos herangekommen, und tippte ihm auf die Schulter. Es war, als stäche ihn jemand mit eisernen Fingern.
    »Rutkin läßt bitten. Arme hoch!«
    »Warum denn das?«
    »Darum.« Der Portier tastete schnell und geübt Habichts Körper ab und nickte dann. Habicht mußte grinsen.
    »Glaubst du, ich komme mit 'ner Waffe zu Rutkin?«
    »Ich habe schon Pferde kotzen sehen! – Da hinein.«
    Habicht ging durch die Tür, kam in einen Vorraum, in dem ein alter Billardtisch stand und der sonst leer war. Im hinteren Winkel zwischen Wand und Decke starrte ihn das Auge einer Videokamera an – wie in einem Gangsterfilm. Habicht lachte und winkte in das Objektiv hinein. Das schien zu überzeugen. Vor ihm schnarrte es, und eine automatische Tür rollte in die Wand.
    Grigorij Semjonowitsch Rutkin war ein noch junger Mann von 31 Jahren. Wie alle reich gewordenen Russen kleidete er sich in bestes Tuch, vom besten Schneider verarbeitet, trug nur weiße Hemden und diskrete Krawatten und bewies, daß man im Auftreten ein Gentleman sein konnte. Er konnte leise, aber betont sprechen, doch man traute ihm auch zu, zu brüllen wie Rasputin. Er trug die schwarzen Haare mit Pomade eng an den Kopf geklebt, hatte braune Augen und einen forschenden Blick. Seine Gestalt war mittelgroß, schlank, aber kräftig. An der rechten Hand glitzerten zwei Brillantringe.
    Rutkin war vor vier Jahren in Hamburg aufgetaucht. Woher er kam, wußte niemand genau. In seinem Paß stand Njenjalinsk. Wo liegt Njenjalinsk? Irgendwo im weiten Rußland, vielleicht in Sibirien, wer weiß das? Als Beruf gab er Kunsthändler an, eröffnete ein winziges Ladengeschäft, in dessen Schaufenster er zwei unechte Ikonen und die berühmte Matrjoschka, die Puppe in der Puppe, stellte, und begann, sich auf dem Kiez umzusehen.
    Es geschahen dann merkwürdige Dinge.
    Zuerst beklagte man in der Zuhältergemeinschaft zwei Tote, die mit sauberen Stirnschüssen in Hausfluren lagen. Da niemand einen Schuß gehört hatte – und es waren belebte Straßen mit einem ertragreichen Straßenstrich – wußte man, daß hier jemand mit einem Schalldämpfer arbeitete. Also ein Profi.
    Das zweite Ereignis versetzte die Szene in helle Aufregung: Boxer-Ede, ein Berliner ›Bienenzüchter‹, der neun Bienchen durch St. Pauli schwirren ließ, wurde in seiner Wohnung tot und mit abgeschnittenem Gehänge aufgefunden. Die Mutmaßungen überschlugen sich, die Polizei lief ins Leere, Motive gab es genug, aber keinen Verdächtigen. Immerhin ging die Tat als ›Schwanzmord‹ in die Geschichte des Kiez ein.
    Kurz nach dieser unappetitlichen Affäre erhängte sich der Besitzer der Erotik-Bar Sirene. Er hing eines Morgens von der Decke über einem dicken Schaumgummiboden, in einem Raum, den man die Spielwiese nannte und auf der sich Pärchen im Rudelbumsen üben konnten. Swinger-Joe, so hieß er, hatte keinen Grund gehabt, sich das Leben zu nehmen, sein Laden lief wie geschmiert, er hatte nie ein krummes Ding gedreht, er war auf dem Kiez überall beliebt, was sehr selten ist, und die Polizisten der Davidswache hatten seinetwegen nie ausrücken müssen. Warum hängt sich ein so erfolgreicher, integrer Mann auf? Aus Schwermut? Wohl kaum, denn Swinger-Joe testete vorher jedes Mädchen auf seine Tauglichkeit, bevor er es einstellte.
    Joes Witwe, die Hamburg so schnell wie möglich verlassen wollte, war deshalb hoch erfreut, als sich ein zahlungskräftiger Käufer für die

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