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Die Ecstasy-Affäre

Die Ecstasy-Affäre

Titel: Die Ecstasy-Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geschützt hatte, und schleuderte es in eine Ecke. Vorbei! Vorbei! Auf ihrem Lebensweg war sie an eine Kreuzung gekommen, und Ulrike hatte sich für die rechte Abzweigung entschlossen. War es auch der rechte Weg? Man würde bald sehen, wohin er führte.
    Am nächsten Abend, pünktlich um neun Uhr, stand Ulrike hinter der Bar.
    Es war, als sei es nie anders gewesen …
    Die Veränderung, die Robert durchmachte, fiel zuerst seiner Mutter auf.
    Gerda Habicht, im Gegensatz zu ihrem nüchternen Beamtengatten, kunstsinnig und musikbegeistert, hörte aus dem Klavierspiel ihres Sohnes Robert eine Wandlung heraus. Sie hielt das für einen Reifeprozeß und sprach eines Abends ihren Mann darauf an, als Robert im ›Musikzimmer‹ kräftig in die Tasten griff.
    »Hörst du das, Hubert?« fragte sie und lauschte angestrengt.
    »Was?« Hubert Habicht hob den Kopf. Er las gerade einen Bericht über die letzte Sitzung des Bayerischen Landtags. Dabei ärgerte er sich über einen neuen Antrag der Grünen, einen Neubau zu verhindern, weil dafür drei alte Bäume gefällt werden müßten. Es handelte sich um den Erweiterungsbau eines Krankenhauses, und es erhob sich die Frage, was wichtiger war: die Gesundheit der Menschen oder der Erhalt dreier knorriger Bäume.
    »Robert spielt Chopin …«
    »Das tut er doch immer.«
    »Aber jetzt spielt er ihn so, als sei es der junge Beethoven … So stürmisch, so wild, so aufbrausend …«
    Hubert Habicht nickte. Ihm entging diese Wandlung völlig, er hatte kein Gehör für solche Feinheiten. Überhaupt Musik – da tappte der Herr Oberregierungsrat herum wie ein blinder Bär. Vor allem, wenn seine Frau ihn dazu animierte, eine Oper zu besuchen. Da saß er dann in der Münchner Staatsoper in einer der ersten Reihen und sagte etwa in der Pause bei ›Siegfried‹: »Da schlägt der mit seinem Schwert den Amboß kaputt … Das ist doch materialmäßig gar nicht möglich!« Oder nach ›Rheingold‹: »Da ziehen die Götter auf einem Regenbogen nach Walhall. Was soll das? Ein Regenbogen ist doch bloß eine Luftspiegelung.« Nach einem solchen Abend kam Gerda Habicht sich immer sehr einsam vor.
    »Robert verändert sich«, sagte sie jetzt mit Nachdruck. »In der Musik schwingt die Seele … Robert hat irgendwelche Probleme.«
    »Stimmt! In Mathematik.«
    »Das ist es nicht.«
    »Was sonst?«
    »Es sitzt tiefer.«
    »Was soll mein Sohn Robert für andere Probleme haben? Er nimmt Nachhilfestunden in Mathe; das beweist, daß er das Problem angeht und auch bewältigen wird.«
    Damit war für Dr. Habicht die Diskussion beendet. Der Antrag der Grünen im Landtag beschäftigte ihn mehr, obwohl er da in keiner Weise eingreifen konnte. Habicht gehörte zu den stillen Politikern, deren politisches Genie nur in den eigenen vier Wänden aufblühte, wo dann allerdings weltverändernde Reformen geboren wurden. Daß solche Genialität nie an die Öffentlichkeit dringt, gehört zur Tragik der einsamen Weltverbesserer.
    An diesem Abend kochte Gerda Habicht einen Schokoladenpudding, den Robert so gern aß. Nach dem Essen fragte sie: »Bedrückt dich etwas, Robert?«
    »Nein, Mama.« Er blickte an ihr vorbei. »Wieso?«
    »Ach, es war nur so eine Frage. Mit der Schule oder so …«
    »Nein, Mama. Es ist alles in Ordnung.« Und dann, bewußt fröhlich: »Ich habe alles im Griff.«
    Das klang so glaubhaft, daß Gerda Habicht den beethovenschen Chopin als eine einmalige Gemütsaufwallung bewertete. So blieb auch ihr die innere Zerrissenheit ihres Sohnes zunächst verborgen.
    Sie hätte allerdings auch bei Kenntnis der Tatsachen nicht helfen können. Der letzte Besuch in der Toscana-Bar, die Entdeckung, daß man durch eine Hintertür in einen anderen Teil des Hauses kam, auf einen Korridor, von dem zehn Türen zu zehn kleinen Zimmern führten, in denen halbwüchsige Mädchen die Betten quietschen ließen, meist Mädchen aus Polen, Rußland, Ungarn und Tschechien, auch eine Asiatin war dabei, und die Drohung Bolos beim Verlassen der Bar: »Komm nicht wieder, wenn du gesund bleiben willst!« Das alles bestärkte Robert in seiner Absicht, Ulrike aus diesem Milieu herauszuholen.
    Herausholen – ein großes Wort! Herausholen – aber wie und wohin? Was war er denn schon? Ein achtzehnjähriger Abiturient mit leeren Taschen, dessen einziges Kapital eine überdurchschnittliche Intelligenz und gutes Klavierspiel war. Wie kann man damit einen Menschen retten? Daß Robert sich bei solchen Gedanken gar nicht fragte, ob Ulrike

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