Die Ecstasy-Affäre
treten, vor allem, wenn er merkte, daß ihm als Bulle keinerlei Sympathie entgegenschlug, sondern im Gegenteil nur passiver Widerstand, Schweigen und unverschämtes Grinsen. Nun frag mal schön … Genausogut kannst du dich mit Fischen unterhalten.
Wortke trat die Kids nicht in den Hintern, ein deutscher Beamter muß sich beherrschen können. Auch wenn es, gerade bei der Kripo, oft schwer ist, die Nerven zu behalten. Man muß die Provokationen einfach hinunterschlucken, auch wenn sie einem fast die Luft abschnüren. Da kann ein Verbrecher beim Verhör fragen: »Was willst du Arsch eigentlich von mir? Fick dich doch ins Knie!« Und man muß das hinnehmen und unbeeindruckt weiter seine Fragen stellen. Es gehört schon ein starkes Nervenkostüm dazu, Kriminalbeamter zu sein.
Wortke war klar, daß alle aus dem Freundeskreis von Lisa Brunnmeier mehr wußten als nur: »Sie war 'ne tolle Nummer!« Auch war anzunehmen, daß in den Discos, in denen Lisa sich ausgetobt hatte, Ecstasy zu den ›Muntermachern‹ gehörte und verkauft wurde. Das Säckchen voller Pillen, das man bei der Toten gefunden hatte, wies darauf hin, daß sie sich kurz vor dem Drogenunfall mit neuer Ware versorgt hatte. Nur war bisher nicht festzustellen, wo Lisa an diesem Abend getanzt und geliebt hatte und dann gestorben war. Es war kein einsames Sterben gewesen, die frischen Spermaspuren verrieten, daß zumindest ein Mann Zeuge ihres Todes gewesen war. Der Mann, der sie dann im Keller eines verfallenen Hauses abgelegt hatte.
»Ich glaube, wir haben eine heiße Spur«, zog Reiber Bilanz. »Wir sehen sie nur noch nicht. Ich rieche den Braten, aber die Pfanne fehlt mir noch. Wir haben da in einen Ameisenhaufen hineingestochen, und nun wimmelt alles durcheinander. Und einer dieser Aufgescheuchten wird einen Fehler begehen, das sagt mir meine Erfahrung. Unsicherheit ist ein Gift, das an den Nerven frißt. Warten wir es ab.«
»Für die Medien heißt das: Die Polizei ist unfähig!« erwiderte Wortke bitter.
»Kratzt dich das noch, Theo?«
»Nein.« Wortke schüttelte wild den Kopf. »Aber es bleibt die bittere Erkenntnis: In diesem Land kann dich jeder mit Dreck bewerfen …«
Die Zeitungen, die von Gleichem in den nächsten Tagen sammelte und mit einem schmerzlichen inneren Druck las, bestätigten ihm, daß er in eine verteufelt heiße Situation geraten war.
Lok, der Besucher aus Vietnam, hatte keine leeren Worte ausgesprochen. Die drei polnischen Geschäftsfreunde erschienen nicht im Toscana; man fand sie, nebeneinander aufgereiht, ermordet im Nymphenburger Park. Mehr hatte die Pressestelle des LKA nicht bekanntgegeben. Die wilden Vermutungen in der Presse und im Fernsehen interessierten Franz von Gleichem nicht. Er wußte jetzt ganz genau, daß alle Verhandlungen mit der unbekannten Mafia-Gruppe nur ein Diktat sein würden. Er wußte auch, daß es um seinen Kopf ging. Der Markt in München und in ganz Bayern wurde aufgeteilt, ganz nach den Vorstellungen der Vietnamesen. Es gab keine Ausflüchte mehr, nur die Flucht aus München. Aber dagegen wehrte sich von Gleichem. Er war der Barkönig dieser Stadt, in der Gesellschaft beliebt, geehrt und bewundert. In seinen Clubs, die nichts anderes waren als exklusive Bordelle mit ausgesucht hübschen Mädchen, verkehrten Leute aus Wirtschaft, Politik und Kultur, die weithin bekannt waren und immer wieder in den Gesellschaftsnachrichten der Boulevardpresse auftauchten. Leute von internationaler Bedeutung. Dieses kleine Imperium aufzugeben, das von Gleichem in über zwei Jahrzehnten aufgebaut hatte, hätte das Ende eines arbeitsreichen Lebens bedeutet. Der große Einstieg in die Ecstasy-Szene war ein Fehler gewesen, das sah er jetzt ein. Und sein Kopf war ihm viel zu kostbar, um ihn für einen Kampf um Marktanteile einzusetzen.
Das ist keine Feigheit, das ist Besinnung auf das Wesentliche, sagte er sich. Feigheit hatte er von jeher gehaßt; er war immer ein Kämpfer gewesen. Aber da gibt es ein altes chinesisches Sprichwort: Wer sich zurückzieht, kann auch siegen. – Maos langer Marsch war dafür der beste Beweis. Mao hatte gesiegt.
Fünf Tage nach dem Tod der drei Polen erschien Lok wieder im Toscana.
Dieses Mal ließ Ulrike ihn sofort durch die Hintertür; von Gleichem hatte in den vergangenen Tagen auf Loks Besuch gewartet.
Er erhob sich, als Lok ins Büro kam, und preßte die Lippen zusammen, als der Vietnamese sich überaus höflich verbeugte und sich dann in einen der Ledersessel setzte. Er
Weitere Kostenlose Bücher