Die Ecstasy-Affäre
anderes.«
»Unser Vertrag baut auf unserem Präparat auf.« Loks Stimme klang wie immer ruhig, aber von Gleichem hörte doch die versteckte Drohung heraus. »Wir sind die Hersteller und die Lieferanten. Bei uns gibt es nur dieses Ecstasy. Was läßt Sie so kritisch reagieren, Herr von Gleichem? Bisher haben Sie Glück verkauft, hinter dem der Tod wartet. An unserer Pyramide ist noch niemand gestorben. Erfahrungen sind wie Brücken über den Fluß …«
»Ich lasse mich gern überzeugen.« Von Gleichem griff wieder nach seinem Kugelschreiber. Er war bereit, das Abenteuer einzugehen.
Ohne Zögern unterschrieb er den Vertrag.
Auch eine Krankheit muß einmal vorüber sein, vor allem, wenn sie vorgetäuscht wurde.
Nach acht leidenschaftlichen Vormittagen mußte Robert wieder in der Schule erscheinen. Seine Kameraden nahmen davon wenig Notiz; er war immer eine Art Außenseiter gewesen. Kein Mädchen, keine amourösen Wochenend-Abenteuer, keine Haschzigarette, keine Discos, keine lockeren Sprüche. Im Sport fast eine Niete, bis auf Schwimmen, dazu noch Pfadfinder, was die meisten lächerlich fanden, keinen Bock auf eine zünftige Party, immer nur Klavier, Chopin, Debussy, Beethoven und Schumann, sowie die Beschäftigung mit außerirdischen Phänomenen – ein Langweiler wie aus dem Bilderbuch! Nur Roberts bester Freund, der Mathematikprimus Gerhard, fragte ihn kurz: »Wieder okay?«
Und Robert antwortete ebenso kurz: »Es geht schon wieder.«
Niemand merkte, daß er ein anderer Mensch geworden war. Nur Gerda Habicht, seiner Mutter, schien eine Wandlung aufzufallen. Sie sprach darüber mit ihrem Mann, aber zu einer denkbar ungünstigen Zeit; sie störte ihn bei seiner Briefmarkensammlung.
»Robert gefällt mir in der letzten Zeit nicht«, sagte Gerda besorgt.
»Stimmt.« Habicht sah brummend von seiner Sammlung hoch. »Er sollte sich mal wieder die Haare schneiden lassen.«
»Das ist es nicht, Hubert.«
»Was sonst?« Verzückt betrachtete Habicht eine englische Briefmarke aus dem Jahre 1901.
»Er sieht müde und blaß aus. Er arbeitet zuviel.«
»Für ein gutes Abitur muß man arbeiten. Da fällt einem nichts in den Schoß. Bildung ist Mühe.«
»Robert hat so einen merkwürdigen Blick. Hast du mal seine Augen gesehen?«
»Natürlich kenne ich die Augen meines Sohnes Robert!« Habicht wurde ungeduldig. Bei seinen Briefmarken wollte er nicht gestört werden. Jeder Mann muß ein ihn ausfüllendes Hobby haben, vor allem ein Beamter in einer Landesregierung. Der Dienst am Schreibtisch ist erdrückend genug. »Sie sind blau.«
»Ich möchte mit dir vernünftig reden.« Gerda Habicht war pikiert und setzte sich ihrem Mann gegenüber auf einen Stuhl. Habicht seufzte ahnungsvoll. Wenn Gerda über ihren Sohn sprach, artete das immer in eine Diskussion aus.
»Was hast du an ihm auszusetzen?« fragte er und legte die Lupe aus der Hand, mit der er seine Briefmarken betrachtete. »Spielt er Chopin wieder im Stil von Beethoven?«
»Robert treibt Raubbau mit seinen Kräften!« sagte Gerda. »Manchmal läuft er wie geistesabwesend herum. Ich habe gesehen, wie er im Garten sitzt und vor sich hin starrt. Bewegungslos, völlig bewegungslos. Ich glaube, er hat Depressionen.«
»Er wird an Mathematik denken; da kann man bei einer drohenden Fünf im Zeugnis schon depressiv werden.«
»Deine dumme Mathematik! Ich mache mir Sorgen um Robert!«
»Völlig unnötige.«
»Er ist abgemagert.«
»Auswirkungen von England. Ich mag das englische Essen auch nicht.«
»Und diese Ringe unter den Augen. Robert ist krank!«
Habicht hatte Mühe, seine Ungeduld zu zügeln. »Gut, gut«, sagte er und griff wieder nach seiner Lupe. »Ich werde mich darum kümmern. Ich werde mit meinem Sohn Robert reden. Zufrieden?«
Gerda Habicht sah ein, daß es zwecklos war, weiter mit ihrem Mann darüber zu sprechen. Sie warf den Kopf in den Nacken, was ihre Empörung ausdrücken sollte, und verließ das Arbeitszimmer. Habicht atmete auf. Er griff nach einem Kuvert neu angekommener Briefmarken und sortierte sie mit einer Pinzette. Bloß keine Zahnung beschädigen, eine Briefmarke ist empfindlicher als Glas. Jeder Sammler weiß das.
Mit seinem Sohn Robert sprach Habicht natürlich nicht über die Sorgen seiner Mutter. Er hatte das Thema längst vergessen. Krank war man erst, wenn es nötig war, im Bett Zuflucht zu suchen. Das hatte Hubert von seinem Vater gelernt, und der war ein alter Soldat gewesen. Die heutige Jugend verweichlichte immer mehr
Weitere Kostenlose Bücher