Die Ecstasy-Affäre
Jugendtreffen, sogar in die Schulen, wo Dealer in den Pausen auf dem Schulhof die Pillen verkauften und sofort wieder verschwanden. Völlig ungefährlich, hieß es immer. Dein Hirn blüht auf, du fühlst dich happy, du bist plötzlich stark, du kennst keine Müdigkeit mehr. Was dich hemmt, fällt von dir ab, du bist ganz einfach glücklich, du bist so, wie du immer sein wolltest: ein toller Typ! Und wer einmal Ecstasy geschluckt hat, wird Mühe haben, davon loszukommen. Das ist der große Eimer, der niemals leer wird. Und wie bei einem Brünnlein plätschert das Geld …
»Wir liefern sofort.« Lok deutete auf den Vertrag. »Unterschreiben Sie bitte.«
Bitte! Welch teuflische Höflichkeit!
»Was liefern Sie?« fragte von Gleichem und griff nach seinem Kugelschreiber. Das Wort ›Hausratversicherung‹ schien ihn höhnisch anzugrinsen. »Barney? Smiley? Oder Chanel?«
»Wir wollen Altes nicht kopieren. Wir stellen ein neues Präparat her.«
Von Gleichem ließ den Kugelschreiber wieder sinken. Ein neues Ecstasy? Vorsicht! Darin kann eine unwägbare Gefahr liegen. Man will die Jugend ja nicht vergiften, sondern anregen. Das ist der Unterschied zwischen der Glückspille und den harten Drogen.
»Warum etwas Neues?« fragte er abweisend. »Mit den bisherigen Pillen hatten wir Erfahrungen.«
»Und Tote! In England über fünfzig, in den USA einige hundert, in anderen Ländern vereinzelte, in Berlin zwei, in München ein ›Unfall‹.«
»Ich habe ›Playboy‹ sofort vom Markt genommen«, sagte von Gleichem, als müsse er sich verteidigen.
»Sind Sie ein Mensch, der ökologisch denkt?« fragte Lok.
Von Gleichem blickte ihn verständnislos an. »Was meinen Sie damit?«
»Sie haben gespendet für den Erhalt des brasilianischen Urwaldes, für die Reinhaltung der Gewässer und Seen, für die Artenerhaltung der Pandabären und der Tiger, für das Verbot der Giftverklappung in die Nordsee, für ökologischen Obst- und Gemüseanbau … Sie sehen, wir wissen alles über Sie. Sie sind ein geachteter Mäzen des Umweltschutzes.«
Von Gleichem war verblüfft und erschrocken zugleich. Was wissen die alles? Die Aufzählung entsprach der Wahrheit. Er stiftete auch noch für Greenpeace, den WWF und die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Bei Sammlungen zur Hilfe bei Katastrophen fehlte sein Name nie auf der Liste der Spender. Auch das hatte dazu beigetragen, ein überall geachteter Mann zu sein.
»Was soll das?« fragte er und hörte, daß seine Stimme einen heiseren Klang bekommen hatte.
»Es muß Sie erfreuen, daß die von uns neu entwickelte Ecstasy-Pille ökologisch einwandfrei ist.«
»Das ist doch ein Witz!«
»Lassen Sie mich das erklären.« Lok legte den Kopf in den Nacken und blickte an die Zimmerdecke. Es war, als läse er die kommenden Sätze dort ab. »Dieses Ecstasy unterscheidet sich schon in der Verpackung von allen anderen Präparaten. Es ist keine Pille und keine Tablette, sondern eine attraktive kleine Pyramide aus mit bunten Bildchen bedrucktem Papier. Ecstasy in Pulverform. Man kann es leicht in jedes Getränk mischen oder mit jedem Getränk hinunterspülen. Die Mischung besteht aus reinen Naturstoffen, von denen keines verboten ist. Dieses Ecstasy enthält Ginseng, Grünen Tee, Gingko Bilboa, Guarana, Raw Cola und Traubenzucker. Diese Mischung im richtigen Verhältnis erzeugt die gleiche Wirkung wie die anderen Ecstasy-Pillen, nur: Es sind naturreine Rohstoffe. Keine Chemie, sondern alles ökologisch. Wir haben dieses Ecstasy ›100 percent natural vegetarian‹ getauft und in den USA getestet. Mit den besten Ergebnissen. Und es ist billig: pro Pyramide nur 2,10 Mark im Einkauf.« Lok lächelte wieder und senkte den Kopf. Sein Blick wurde scharf und stechend. »Welch eine Gewinnspanne für Sie, wenn Sie sie für unter zehn Mark verkaufen! Sie werden damit den Markt beherrschen. Da gibt es keine Konkurrenten mehr! Mit unserem Ökopulver erobern wir die Welt. Und was am wichtigsten ist: Es sind alles Naturstoffe, nicht verboten, sondern völlig legal.«
»Zu schön, um wahr zu sein!« Von Gleichem atmete tief durch. »Wenn das alles stimmt … Das wäre wirklich eine Revolution.«
»Es ist wahr. Die Erfolge in den USA bestätigen es. Hier produziert keine Giftküche.«
»Auch Zyankali ist ein Naturprodukt, wenn man es aus bitteren Mandeln gewinnt. Und das Gift des brasilianischen Gelbfrosches ist auch Natur. Die Indios präparieren damit ihre Pfeilspitzen. Unter Ökologie verstehe ich etwas
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