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Die Ecstasy-Affäre

Die Ecstasy-Affäre

Titel: Die Ecstasy-Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    So entging Robert einem elterlichen Verhör, das er doch nur mit Lügen beantwortet hätte. Brav nahm er angeblich weiter Nachhilfeunterricht bei seinem Freund, jetzt an den langen Nachmittagen. Da saß Robert im Toscana, verkaufte Smiley, Barney und das sehr teure Chanel, das reinste Ecstasy, das in Deutschland angeboten wurde.
    »Wo bist du eigentlich wirklich?« fragte ihn sein Freund einmal während der Schulpause. »Weißt du, daß du mich blamierst? Ich gebe dir Mathe-Unterricht, so denken alle, und du baust nachher im Abi eine Superfünf! Mein Ruf ist hin!«
    »Du überlebst es mit deiner Eins. Ich bin und bleibe eben dämlich, wenn's über das große Einmaleins hinausgeht. Und ich ertrag' meine Dämlichkeit.«
    »Dann sag mir wenigstens, wo du dich herumtreibst.«
    »Ich habe ein Mädchen.«
    Das klang einfach und einleuchtend. Der Freund grinste breit, aber dann wurde er sofort wieder ernst. »Sag bloß, diese Bar-Tussi!«
    »Warum nicht?« Robert nickte. Gerhard war ein guter Freund, dem er das anvertrauen konnte. »Ich liebe sie …«
    »Du Arsch!«
    »Danke.«
    »Ehrlich, du bist ein Arschloch! So etwas kann man bumsen, aber nicht lieben. Wie soll das denn weitergehen?«
    »Sie liebt mich auch.«
    »Und das glaubst du?«
    »Ich weiß es. Wir werden zusammenbleiben. Nach dem Abi werde ich Musik studieren. Ich sehe meine Zukunft als Konzertpianist. Wie Barenboim … am Flügel und vor dem Orchester.«
    »Barenboim hatte keine Tussi im Schlepp!«
    »Was weißt du von Ulrike?« Robert winkte ab, als der Freund weitersprechen wollte. »Sie gibt mir Kraft, Glück und Selbstvertrauen. Sie ist eine wunderbare Frau. Ich brauche sie.«
    »Im Bett.«
    »Nein! Für mein Leben! Aber das verstehst du nicht.«
    »Zugegeben, nein! Ich ahne nur, daß sie dich kaputt macht.«
    »Auch das ist meine Sache!« Robert sah seinen Freund mit zusammengekniffenen Lippen an. »Du mußt mir versprechen, keinen Ton davon zu sagen. Wie sich auch alles entwickeln wird: kein Wort.«
    »Versprochen. Aber ich bin gespannt, ob ich dich jemals in der Philharmonie hören werde. Robert Habicht spielt das 1. Klavierkonzert von Tschaikowsky.«
    »Du bekommst eine Freikarte. Erste Reihe, Mitte.« Roberts Lachen klang siegesgewiß. »Und wehe dir, wenn du pfeifst!«
    Auf einem Bankkonto, das Robert mit achtzehn Jahren eröffnen konnte, lagen jetzt bereits 7.645 Mark. Täglich erhöhte sich die Summe, die Geschäfte gingen gut. Nur vor einem schreckte Robert zurück: die Pillen seinen Klassenkameraden anzubieten. Er wußte, daß zwei von ihnen Marihuana nahmen, und sie wären vermutlich auch seine ersten selbst geworbenen Kunden geworden, aber bei aller Ungefährlichkeit der Glücksdroge, wie Ulrike immer betonte, hielt ihn eine moralische Sperre zurück. Nicht meine Kameraden, dachte Robert. Sie sollen sauber bleiben.
    Dagegen entschloß er sich, eine der Techno-Partys zu besuchen. Dort mußte man, wenn man den Umsatz hochrechnete, Ecstasy schlucken wie Hustenbonbons. Es mußte ein Erlebnis sein, einen ganzen Stall voll Verzückter zu beobachten.
    Ulrike sagte er von seinem Vorhaben nichts, aber er steckte sich an einem der Verkaufsnachmittage zwanzig Smiley in die Tasche, nahm von zu Hause eine verwaschene Jeans und ein T-Shirt mit dem Aufdruck ›Ich bin eine Insel‹ mit, ein Souvenir von einem Helgoland-Ausflug vor Jahren, zog sich im Auto um und betrat einen In-Schuppen, der einmal ein Stall gewesen war und den man umgebaut hatte. Die Adresse hatte er einem der jungen Dealer entlockt, ohne daß Ulrike es gemerkt hatte.
    Zum erstenmal betrat Robert eine fremde Welt.
    Eine völlig fremde Welt, nicht vergleichbar mit dem Toscana.
    Der weite Raum lag fast im Dunkeln, aber von der Decke blitzten in einem wilden Rhythmus bunte Scheinwerferstrahlen, gingen an und aus, sich in Wirbeln drehend. Dazu hämmerte eine stampfende, auf die Nerven niederprasselnde Musik aus ungezählten Lautsprechern, die überall im Schuppen verteilt waren, überlaut, das Trommelfell sprengend und in die Körper eindringend. Eine Menge zuckender, sich krümmender und zueinander stoßender Leiber füllten die Tanzfläche, das Gewirbel von Armen und Händen schien in den Lichtstrahlen zu Riesenschlangen zu werden, die sich zu den Tönen schaukelten. Es war ein Gedröhne und Stampfen, daß Robert Mühe hatte, überhaupt einzelne Töne zu unterscheiden, aber auch sie ergaben nichts, was in seinen Ohren wie Musik klang. Es war nur Rhythmus, ein Hineinhämmern in diese

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