Die Ecstasy-Affäre
vertreten. ›Playboy‹ ist eine schmutzige Pille, das heißt, die Verunreinigungen sind stark. Ihre Wirkung auf den Menschen ist völlig unkontrollierbar. In Berlin sind einige Fälle aktenkundig, daß ›Playboy‹ Paranoia auslösen kann. Paranoia ist nach den heutigen Erkenntnissen eine Erkrankung mit systematisiertem Wahn, die, entgegen der Schizophrenie, auf der paranoiden Entwicklung einer Charakterstörung basiert und sich durch erlebnisreaktive Wahnentstehung manifestiert. Also genau die Wirkung von Ecstasy!«
Eberlein nahm wieder einen Schluck Wasser. »An ihren betroffenen Gesichtern sehe ich, daß Sie die ungeheure Gefahr für unsere Jugend erkennen. Aber das ist noch nicht alles! Die in München am weitesten verbreitete Pille ist die mit dem schönen Namen ›Smiley‹. Auch sie kommt aus dem Herstellerland Polen und hat vor allem in Österreich, in den Räumen Linz und Salzburg, Aufsehen erregt. ›Smiley‹ ist stark verunreinigt – wie alle Ostprodukte – und enthält neben dem üblichen MDMA das halluzinogene MDEA. Folge: Die Pille erzeugt Halluzinationen. Also Trugwahrnehmungen, Sinnestäuschungen, Sinnesreizungen, Wahnvorstellungen. Das kann bis zum Selbstmord führen.«
Professor Eberlein wandte sich um und ging zu dem großen Plakat an der Wand. Dabei warf er einen Blick auf die Zuhörer. Er sah in entsetzte Gesichter, die gleichzeitig eine große Hilflosigkeit ausdrückten.
Eberlein deutete auf das Plakat. »Sie sehen hier einen menschlichen Körper mit den Adern und Organen, mit Gehirn und den Drüsen, die der Ecstasy-Droge ausgesetzt sind. Es würde zu weit führen, wenn ich Ihnen all das aufzeige, was möglich ist. Ich muß mich auf das Wesentliche beschränken. Fangen wir mit dem Gehirn an. Durch Ecstasy werden Botenstoffe aktiviert, die ein großes Glücksgefühl hervorrufen. Folge: Wer dreimal oder viermal ›E‹ zu sich nimmt, gewöhnt sich an dieses euphorische Gefühl, so daß eine geistige Abhängigkeit entsteht. Ohne Droge keinen Lebenssinn! Das Auge, das man das Tor zur Seele nennt, reagiert mit einer Erweiterung der Pupillen auf die doppelte Größe. Daran erkennt man sofort den Drogenkonsumenten! Womit keiner der User rechnet: Bei dauerndem Ecstasyschlucken kommt es zu Schädigungen der Nervenstränge und zu einer rapiden Abnahme der Sehfähigkeit. Das Gehör – und das reizt die Ecstasy-Fans besonders – verstärkt sich so, daß der Drogensüchtige zu einem totalen Klangerlebnis kommt. Die Töne kulminieren, Musik wird zum Rausch. Die Welt löst sich in Klängen auf. Ein überwältigendes Erlebnis, aber es kann zur Taubheit führen!«
Professor Eberlein tippte mit dem Zeigefinger auf die Schautafel. Er war jetzt selbst gefangen von dem, was er vorführte. Die monatelangen Untersuchungen von Ecstasy-Opfern hatten auch ihn, den sonst kühlen Wissenschaftler, erschüttert, vor allem, weil die Betroffenen alle im Alter von sechzehn bis neunzehn Jahren gewesen waren. Am gegenwärtigsten war ihm die Begegnung mit einem vierzehnjährigen Jungen, dessen Gehirn bereits zerstört war und der jetzt, unheilbar krank, in einer Anstalt lebte. Ecstasy hatte er von jugendlichen Dealern gekauft – auf dem Schulhof. Wöchentlich zweimal waren sie in der Schule erschienen, vor dem Unterricht, in der Pause oder nach dem Unterricht. Sie lauerten wie Wölfe auf ihre Opfer.
»Hier haben wir den Mund«, sagte der Professor, »der auf seine Art reagiert. Es kommt zu einer Austrocknung der Mundschleimhaut und der Kehle. Die Lippen werden rissig und springen auf. Die Pille aber verhindert den Feuchtigkeitsausgleich, sie unterdrückt das Verlangen nach Flüssigkeit. Der Protest des Körpers ist sogar hörbar: Die Zähne und die Kiefer mahlen aufeinander; es ist das Zähneknirschen der Ekstase. Wandern wir weiter durch den Körper. Da ist die Leber, ihnen allen ist bekannt, daß alle Gifte von der Leber verarbeitet werden müssen. Sie ist der große Reiniger. Bei Ecstasy aber muß sie früher oder später kapitulieren. Es ist wie bei chronischem Alkoholismus: Der Grundstoff von Ecstasy, das MDMA, lagert sich in der Leber ab, es kommt zu einer tödlichen Vergiftung. Da gibt es keine Hilfe mehr! Einen Alkoholiker kann man bis zu einem gewissen Stadium entgiften, einen Ecstasy-Freak nicht. Und nun das Herz. Dieses Organ, das im Menschen die größte und schwerste Arbeit zu leisten hat und am meisten vernachlässigt wird, ist auch das Schicksalsorgan der Ecstasy-Berauschten. Wer diese Designer-Droge
Weitere Kostenlose Bücher