Die Ecstasy-Affäre
Ordnung ist. Nur: Da ist man kurzsichtig, da erkennt man die Probleme nicht, da verharmlost man die Tatsachen. Sie bringen ja politisch auch keine Erfolge, mit denen man sich schmücken kann. Herr Polizeipräsident, auch wenn das nicht die Sprache eines Beamten ist, aber – alles in allem gesehen: Es ist Scheiße! Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.«
Reiber trat vom Pult zurück. Schweigen umgab ihn, nur einer klatschte und rief »Bravo!«: Wortke.
Aber von dem war man solche Äußerungen ja gewöhnt …
Robert hatte sich zu einem umsatzstarken Verteiler entwickelt.
Sein unter dem Namen Fred Schneider bei einer Bank in Klein-Walsertal eingerichtetes Bankkonto schwoll an. Es war für Robert ein völlig neues, geradezu erhebendes Gefühl, plötzlich über viel Geld zu verfügen, das ihm von seinen Kunden förmlich aufgedrängt wurde. Wo er erschien, vor allem in den Discos und Jugendtreffs, wurde er wie ein Wohltäter empfangen. Er war der Lieferant der Träume, der Führer ins Paradies, der Wegbereiter ins Glück.
»Es ist schon komisch«, sagte er eines Abends zu Ulrike. Er hatte nach zwei ›Chanel‹ wieder einen Liebesrausch erlebt, nach dem er mit weichen Knochen auf dem Bett lag und zur Beruhigung einen Joint rauchte. Ulrike hatte ihm das empfohlen. »Das bringt dich wieder runter!« hatte sie gesagt. »Glaub mir, der Kreislauf normalisiert sich. So ein Joint wirkt Wunder.« Robert hatte es probiert und tatsächlich das Gefühl gehabt, seinen rasenden Puls damit zu beherrschen. Ein Trugschluß: In Wahrheit pendelte Robert von einer Droge zur anderen. Sein Körper wurde dem Gift hörig, so wie er Ulrike hörig geworden war.
»Was ist komisch, Bob?« fragte sie.
»Ich habe in drei Wochen mehr verdient als mein Vater in zwei Jahren …«
»Freu dich doch. Und wieso ist das komisch? Wir haben ein Geschäft.«
»Kein normales.«
»Was nennst du normal?« Ulrike drehte sich auf die Seite. »Die größten Gewinne erwirtschaften die Skrupellosen. Man nennt das ›die Hand am Puls der Zeit haben‹. Jedes Jahr vor Beginn der Reisezeit im Sommer erhöhen die Mineralölgesellschaften den Benzinpreis. Warum wohl? Weil die Autofahrer sich nicht wehren können und auf Benzin angewiesen sind, zu welchem Preis auch immer. Ändert sich das Eßverhalten der Verbraucher, und sie verlangen mehr Schweinefleisch, ruckzuck wird es teurer. Überall, wo etwas knapp wird, aber die Nachfrage steigt, wird es teurer. Automatisch teurer, auch wenn die Lager überquellen. Immer heißt es: Spart Energie. Und was kommt? Weil der Verbrauch sich vermindert, steigen die Preise für Strom und Gas. Wegen der Rentabilität, um Arbeitsplätze zu sichern. Was man auch tut, hüh oder hott, es ist immer falsch. Unsere Designerpillen sind gefragt, also verdienen wir gutes Geld. So mußt du das sehen, Bob.«
So sehr ihn immer wieder Ulrikes Leidenschaft und ihr geschmeidiger Körper faszinierten, irgendwo in Robert baute sich nach einer solchen ekstatischen Stunde eine Art widerwilliger Übersättigung auf. Er hatte keine Erklärung dafür, aber auch jetzt, nach diesen wilden Umarmungen, mußte er plötzlich an das Mädchen Christa denken, an das freche, kecke Püppchen vom ›777‹, an ihren Glauben an den Mann im Mond und ihre Erkenntnis, daß man mit sechzehn Jahren schon das Leben ätzend finden kann. Warum er gerade jetzt an Christa denken mußte, wo Ulrike nackt neben ihm lag, begann ihn zu beschäftigen.
Er richtete sich auf, zerdrückte den Joint in einem Aschenbecher auf dem Nachttisch und stellte die Füße auf den Teppichboden.
»Wohin?« Ulrikes Frage war wie ein Stoß in seinen Rücken.
»Unter die Dusche.«
»Du bist heute so anders, Bob.«
»Wieso bin ich anders?«
»Ich spüre das.«
»Du hast mich ausgesogen. Ich brauche eine kalte Dusche. Du kannst einen Mann kaputtmachen.«
»Nein. Das ist es nicht.« Sie setzte sich im Bett auf. Robert drehte den Kopf nach ihr und seufzte. Sie ist so schön, daß man wahnsinnig werden kann. Diese leicht gebräunte, schimmernde Haut, diese Haare, diese vollen Brüste, der Schwung der Hüften, der stark behaarte Schoß, die langen Beine … Verdammt, sie weiß genau, wie unwiderstehlich sie ist. Wenn sie jetzt die Arme ausbreitet, stürze ich wieder hinein. Ich mag für sie der Frühling sein – sie ist der Sommer für mich mit all seiner Fülle.
Er ging weiter, aber an der Tür zum Badezimmer blieb er noch einmal stehen.
»Was soll es sonst sein?« fragte er zurück.
»Ich
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