Die Edda - Die Edda
Tag
sollen dich Trolle quälen
in der Riesen Reich.
Tag für Tag
sollst du zur Thursenhalle
verhungert hinschleichen,
verhungert hinkriechen;
mit Leid statt Lust
sollst du belohnt werden,
verzweifelt in Zähren gehn.
31
Bei dreihäuptigem Thursen
sollst du dauernd hausen
oder missen den Mann.
Begierde ergreife dich,
Sehnsucht versenge dich!
Der Distel sei gleich,
die zerdrückt wurde
am Ende der Erntezeit!
32
Ich ging zum Wald
und zum grünen Baum,
zu finden den Zauberzweig:
ich fand den Zauberzweig.
33
Grimm ist dir Odin,
grimm dir der Asenfürst,
zum Feind wird dir Freyr:
ruchlose Maid,
die du bereitet hast
dir der Himmlischen Haß.
34
Höret, Riesen,
höret, Reifthursen,
Söhne Suttungs,
Sippen der Asen,
wie ich verbiete,
wie ich verbanne
Mannesliebe der Maid,
Mannesgenuß der Maid!
35
Hrimgrimnir heißt der Thurse,
der dich haben soll
an des Totenreichs Tor;
auf Waldwurzeln
werden dort Trolle
dir geben Geißenharn;
edlerer Trank
sei dir immer versagt
trotz deines Willens, Weib,
nach meinem Willen, Weib!
36
Einen Thursen ritz ich
und der Runen drei:
Argheit und Unrast
und Irresein;
so ritz ich’s ab,
wie ich’s ritzte ein,
wenn es dessen bedarf.
37 Gerd:
Heil sei dir nun, Jüngling!
Hebe den Eiskelch,
mit Firnmet gefüllt!
Nicht hätt ich geahnt,
daß ich einmal sollte
einem Wanen gewogen sein.
38 Skirnir:
Vollen Bescheid
auf die Frage begehr ich,
eh von hinnen ich heimreite,
wann zum Stelldichein
du dich Njörds starkem
Sohne gesellen willst.
39 Gerd:
Barri heißt er,
den wir beide kennen,
der Hag der Heimlichkeit:
nach neun Nächten
wird dort Njörds Sohne
Gunst schenken Gerd.
Skirnir ritt heim; Freyr stand draußen und fragte:
40
Sag mir, Skirnir,
eh du den Sattel abnimmst
und setzest vorwärts den Fuß:
was gewannst du
meinem Wunsch und deinem
in der Riesen Reich?
41 Skirnir:
Barri heißt er,
den wir beide kennen,
der Hag der Heimlichkeit:
nach neun Nächten
wird dort Njörds Sohne
Gunst schenken Gerd.
42 Freyr:
Lang ist die Nacht;
lang sind zwei;
wie erdulde ich drei?
Minder meint ich
den Monat oft lang
als des Harrens Halbnacht.
Anmerkungen
Die Prosastückchen hat der Aufzeichner belastet mit Angaben, die schon in den Strophen untergebracht sind oder fremde Züge herzubringen. Sie passen sich hier mehr dem Gang des Gedichtes an.
4 Albenstrahl, Umschreibung für Sonne. 6 Gymir ist ein Riese. 11 Statt dieser »Meute Gymirs«, die im folgenden nicht mehr spielt, erwartet man den Hinweis auf die Waberlohe als das gefährliche Hindernis. Nach Str. 13 scheint etwas zu fehlen; Gerds Worte 16 4-6 deuten wohl darauf, daß derWächter, Gerds Bruder, gefällt werden mußte, eh man den Flammenwall durchsprengen konnte; auch 19 4, 23 6 und vor allen Dingen 8 4-6 , 9 4-6 erhalten dann besseren Sinn. Vielleicht spiegelte sich der Waffengang der beiden in zwei Redestrophen nach 13, vielleicht genügte eine schlichte Prosabemerkung. 21 Den Goldring Draupnir, der sich so wunderbar vermehrte, hatte Odin dem toten Balder auf den Holzstoß mitgegeben. Balder sandte ihn aus dem Totenreich zurück. 24 6, 7 Über das gewöhnliche sechsversige Strophenmaß schreitet unser Gedicht mannigfach hinaus. 27 1 »Adlers Erdhöcker« (so der Urtext) ist eine skaldische Kenning für Felsspitze. 28 Hrimnir ist ein Frostthurse. 29 4-7 Diese Verse bezeichnen einen Einschnitt und heben das Folgende als Steigerung heraus. 32 Damit beginnt der Runenzauber, der Höhepunkt der Bedrohung. 3 Den Zauberzweig, auf den man die wirksamen Runen ritzen will, holt man von einem saftfrischen Baume, der eine bestimmte Beschaffenheit hat. 33 Der Asenfürst ist Thor. 36 1-4 Diese vier Zauberrunen verkörpern die im Vorangehenden gesprochene Verfluchung; Wort und Zeichen stützen sich gegenseitig. 5-7 Durch das Abritzen der Runen hört ihre Zauberwirkung auf. 37 Eiskelch: man vermutet in diesem Wort eine mißverstehende Wiedergabe des fremden »Kristallkelches«.
9. Lokis Zankreden
Z wei Bauernsagas schildern, wie ein isländischer Gode zungenfertig seine Standesgenossen der Reihe nach durchhechelt, mehr oder weniger ehrabschneiderisch, mehr oder weniger unflätig. Derlei mag sich öfter begeben haben; die Schmährede, auch in Prosa, brachte es zu einer gewissen Kunst und Schätzung. Und nun verfiel ein guter Dichter darauf, einen solchen Hergang unter den Göttern anzuzetteln: ein Götterschwank in drei Szenen. Neben sonstigen Dichtertugenden besaß er, worauf es hier
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