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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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gebacken hatte, es war aber eine Frau (Gott wahrscheinlich auch). Lichte zwei Meter, ein Bizeps wie vier Muckibuden zusammen, Haifischlächeln, aber nicht unfreundlich. »Ester«, stellte sie sich vor, »Betonskulpturen und spontane Malerei auf großen Leinwänden.«
    Bizarr hier. Schrott, konnte man meinen, war aber Kunst. Nancy Halgrimsdottir noch die zierlichste der Grazien, sie nahm sich die beiden Neuankömmlinge wortwörtlich zur Brust, so würde es sein, wenn sich die Airbags im Auto öffnen. »Das ist Karla Smirnowa.« Die, Typ weißrussische Diskuswerferin auf Kälbermastmittelbasis, begrüßte Oxana sogleich mit ein paar warmen russischen Worten. »Ich mache in Kunstharz, überdimensionale Szenen aus dem postsowjetischen Realismus. Wenn du mal ne Möbelpackerin brauchst, ruf mich an.« »Ester Grosmanovsky aus Wien kennst du schon«, sagte Nancy und: »Jetzt trinken wir erst mal einen Schnaps und dann erzählt ihr.«
    Der Schnaps war ungewohnt, aber nicht schlecht. Oxana erzählte, das Künstlerinnentrio staunte. »Ok«, sagte Nancy schließlich, »wir suchen den Burschen in diesem Großdingsbumsbach morgen früh auf, was man gleich erledigen kann, soll man nicht aufschieben. Aber erst gemütlich machen. Ester? Hol mal den Tischgrill.« Der Tischgrill hätte für einen stattlichen Ochsen gereicht, Nancy steckte jedoch Hähnchen auf den Spieß. Meine Linie, dachte Oxana. Sonja hatte sich zurückgehalten, nur wenig vom Schwarzen Tod gekostet, war etwas blass geworden. Sie saß zwischen Karla und Nancy, so wie ein Fischlein im Meer zwischen der Europäischen und der Amerikanischen Kontinentalplatte saß, »die Grenze verläuft übrigens genau durch unseren alten isländischen Versammlungsort Thingvellir, driftet auseinander, das müsst ihr gesehen haben, Mädels.«
    Hm, okay, aber wie. Island war isoliert. Nancys Miene verfinsterte sich. »Ich hab mal bisschen rumtelefoniert, keiner hat ne Ahnung von irgendetwas. In den Nachrichten hieß es vorhin, die Amerikaner hätten einen Flugzeugträger Richtung Nordmeer geschickt und irgendwie ist ein Hubschrauber bis an die Küste rangekommen, doch dann brach der Funkkontakt ab. Niemand weiß, was aus ihm geworden ist. Sehr mysteriös und sehr beunruhigend.«
    Besteck gehörte nicht zu Nancys Haushalt, man aß die Hähnchen mit den Händen, war auch bequemer. Ein Geschirrtuch für die Fettfinger wurde rumgereicht, die Stimmung gelöst. »Wir sind hier alles Heten«, stellte Nancy klar, »aber wir haben nix gegen Lesben.« Sah man ihnen das an? Sonja errötete, Oxana hüstelte, der Rest lachte. »So wie ihr auch anguckt... Nicht wenigstens ein bisschen bi?« Sonja hob zaghaft das Händchen und kicherte sich eins. »Aber wird immer weniger«, gestand sie und schielte zu Oxana, die – Überraschung – ebenfalls leicht errötete.
    »Ihr bleibt über Nacht hier«, sagte Nancy schließlich, »separates Räumchen, dicke Wände, und morgen früh nehmen wir Karlas Transporter und besuchen den Alten. Also ich freu mich drauf.« Sie freuten sich alle irgendwie. Ester gab ihnen Bettzeug, Karla und Nancy wünschten mit feuchten Wangenküsschen eine gute Nacht. Dann lagen Sonja und Oxana im Dunkeln nebeneinander, im Nebenzimmer kicherten und rumorten die Mädels. »Nette sind das«, sagte Oxana und kuschelte sich an Sonja.

237
    Der Raum, in dem sich die emsigen Gäste des Konsuls bei Kaffee und Zigaretten von ihrer Arbeit erholt hatten, war klein, mit zähflüssiger, stinkender Luft und einer Menge Abfall gefüllt. Wer auch immer hier sauber gemacht hatte, dieser Ort war offensichtlich übersehen worden.
    Wir schlossen die Tür hinter uns und machten Licht. Ein Resopaltisch mit überquellenden Aschen- und leeren Plastikbechern in geschmackvollem Kaffeebohnenbraun, ein knappes dreckiges Dutzend im Raum wild platzierter Stühle, eine schmale Anbauküche mit Kaffeemaschine. »Schöne Sauerei«, sagte Katharina. »Guck mal, da hat einer seine Kippen vergessen.« Gut beobachtet. Ein halbvolles Päckchen GEYSIR – Island Tobacco Company. Hm. Ich hatte nicht gewusst, dass Island über ein tabakverarbeitendes Gewerbe verfügte und konnte es auch nicht glauben, obwohl der Beweis vor mir lag. Einstecken als Indiz-für-irgendetwas, Nancy befragen.
    Unter dem Tisch stand ein Mülleimer, eines jener Exemplare, die ihre Mäuler aufreißen, wenn man auf ein Fußpedal tritt. Ich tat es und blickte in einen Abgrund aus Filtertüten und verbrauchtem Kaffeemehl. Dazwischen lag ein Stück Papier,

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