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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Weber?
    Wenn ich an Georg Weber dachte, dachte ich an seine Schwester. Sofort Kopfkino, erotisch, schwülstig, Mädchenliebe. Was sie jetzt wohl tat? Wahrscheinlich schlafen, nahm ich an. Nicht allein, zeigte mir die Leinwand meiner unkontrollierten Phantasie. Um mich abzulenken, sah ich kurz bei Facebook vorbei, inzwischen knapp 500 Freunde, von denen ich die wenigsten kannte. Rechner runterfahren, die äußere Stille kosten, während es in mir »Geh endlich ins Bett!« schrie und ich »Geht nicht, hab zu starken Kaffee getrunken!« zurückmotzte. Die Gedankensuppe köchelte, rührte sich von selbst um, die Brocken schwammen nach oben, tauchten wieder ab, es dampfte, es blubberte. Ans Fenster und rausgucken, nichts. Vor lauter Verzweiflung noch einmal den Fernseher anschalten, natürlich Sondersendung. Würde jetzt eine Woche so gehen, Expertenfressen allenthalben, bis man sich dran gewöhnt hatte, siehe Japan, siehe Fu kushima, was inzwischen keine Sau mehr interessierte, auch nicht die Leute, die auf einmal wieder mit »Atomkraft nein danke!«-Stickern durch die Weltgeschichte gelaufen waren. Alles wieder in Ordnung. Ich hörte mir das Geschwätz ein paar Minuten an, nichts als Spekulationen, eilig gestrickte Be richte über Island und die Isländer, über Wikinger und komische Typen, Schafe und die unvermeidlichen Geysire, die Edda und die Bankenkrise, heißes Wasser und heiße Luft. Ausmachen, noch einmal ans Fenster, nichts.
    Nichts. Dachte ich. Oh, du naiver Moritz, wenn du gewusst hättest, was du gleich wissen wirst! Dass jemand im Treppenhaus war, leise hoch kam, etwas in der Hand hielt, bei dir klingeln würde. Und du wirst aufmachen. Völlig in Gedanken, ganz egal, wie spät es ist, ohne zu fragen. Einfach aufmachen. Idiot.

240
    Dass der Konrad das Licht ausgeknipst hatte, war Irmi gerade recht gewesen. In ihrem Alter besaß die Ästhetik des Körpers nur noch nostalgischen Wert, die Haut war eine Tischdecke, die man in der Erinnerung straffzog. Wenigstens hatte sie ihren Liebhaber zu einem ausgiebigen Duschbad überreden können, nein, nicht zu zweit, denn Duschen im Dunkeln, das ging gar nicht.
    Jetzt, danach, lagen sie nebeneinander im Bett und rauchten. Anfangs schweigend, dann erzählte der Konrad Schwänke aus seinem Leben und machte Pläne. Familie. Habe er sich immer nach gesehnt, aber wer finanzierte einem so was? Und was wurde aus dem politischen Lebenswerk? »Da verbürgerlicht man schneller als man Girokonto sagen kann, ne? Ich meine, nix gegen deine Bio, du bist halt ne Frau, da ist alles anders, scheiß Unterdrückung der Frau, schon klar.«
    Vorsichtig brachte Irmi das Gespräch auf die Kommune. Das wäre doch auch eine große Familie, oder? »Wieviel leben da eigentlich?« Der Konrad sog sinnierend an seiner Zigarette. »Tja, werden immer weniger. Der Rainer, ich und die beiden Mädels – also nicht dass du jetzt denkst – ich meine, klar, durch die Rippen schwitzen wir uns das auch nicht, ist aber völlig repressions- und gefühlsfrei, nicht so wie bei UNS.« Aha, dachte Irmi, jetzt geht’s wieder los. Und tatsächlich lobte nun der Konrad Irmis Erotik, man merke ihr die Indienerfahrung an, überhaupt die jahrzehntelange ungehemmte Einstellung zum Sex, das erstaunlich rührige Becken, das habe er zuletzt 1982 erlebt, »die hieß Sylvia und hat Gedichte geschrieben, aber beim Vögeln war sie besser.«
    »Trotzdem«, sagte Irmi, »ich könnte mir das schon vorstellen – also das mit so ner Art Familie, muss ja keine bürgerliche sein, ich meine: geldlos halt, auf Vertrauensbasis gewissermaßen. Und nach meinen Töchtern sehne ich mich auch.« Nein, die wüssten noch gar nicht, dass sie ihre Mutter sei. Aber sie hätten natürlich ein Recht drauf und sie werde es ihnen bald erzählen. Der Konrad sog und sinnierte weiter. Ja, sagte er, schon in Ordnung. Wär doch quasi Herrschaftswissen, wenn man denen das vorenthielte. Aber das mit Familie würde halt schwierig werden, weil...
    »Weil?« Irmi richtete sich auf. Das Licht war immer noch aus, sie tat es also ohne Hemmungen. »Weil ihr kein Geld erwirtschaftet?« Jetzt lachte der Konrad. »Ich hab dir doch gesagt: Das Schweinesystem mit seinen eigenen Mitteln schlagen. Von wegen kein Geld!« Er lachte jetzt noch lauter. »Hör mal: Hast Bock, gleich morgen früh mit mir raus zur Kommune zu fahren? Ich muss erst mit dem Rainer quatschen, ob ich dich einweihen darf. Is halt ziemlich ne heiße Kiste, ne?« Irmi dachte nach. Klar, das hatte

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