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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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von einem größeren gefetzt. Ich entnahm es dem Eimer mit spitzen Fingern, klopfte den anhänglichen Kaffeesatz ab und las den mit Kugelscheiber hastig, am Rande der Unleserlichkeit gekritzelten Möchtegernsatz: »dr wegen bombe informieren nicht vergessen sonst megascheiße«. Ich las den Satz noch einmal, murmelte ihn vor mich hin. »Bombe?« Borsig war bleich geworden. »Hoffen wir, dass Schreiber dieses nur ein Bild benutzt, eine Metapher, wie der Germanistikstudent sagt. Bombe gleich Sensation, Überraschung oder was in der Art.« Meine Ausführungen konnten Borsig nur unzureichend beruhigen.
    »Und wer is dr?« Katharina hatte es gefragt, ohne auf Antwort zu hoffen. Ich gab ihr dennoch eine. »Wenn zwischen dem d und dem r noch ein p stünde, wüsste ich’s. Übler Bursche. Schreibt im Internet krudes Zeugs und legt sich mit jedem an, der bei drei nicht aufm Baum ist.« »Wow«, sagte Katharina, »interessanter Typ. Den möchte ich kennenlernen.« »Wünsch dir das nicht«, warnte ich, »dem quillt der Geschlechtstrieb aus den Augäpfeln.« »Umso besser«, schäkerte des Konsuls Töchterlein.
    »Außerdem«, fuhr ich fort, »wer sagt, dass dr eine Person ist? Könnte doch auch – die Regierung heißen? Oder die Regungslosen?« »Synonym«, winkte Katharina ab, »haben wir grad in der Schule durchgenommen.« Aber sie nickte dann doch. »Stimmt, muss nicht ne Person sein. Ich glaub, wir sollten mal so langsam von hier verduften – oder is noch was Besonderes?«
    Die Antwort konnte ich mir sparen, denn plötzlich ging das Licht aus. Borsig, der in der Nähe des Schalters stand, machte »pssssst«, wir hielten die Luft an und hörten es jetzt auch: Schritte kamen näher. »Johann«, flüsterte Katharina und drängte sich an mich, der größte Teil ihrer vorgezeigten Coolness hatte sich verflüchtigt, was mir nicht unangenehm war, aber zum total falschen Zeitpunkt geschah. Die Schritte taten das, was sie in solchen Situationen notorisch tun, sie kamen näher. Sie hielten vor der Tür unseres Aufenthaltsortes inne, was sie auch gerne tun, und ich dachte seltsamerweise darüber nach, ob Schritte wirklich innehalten können und ob man nicht inne halten schreibt und überhaupt diese dämliche Rechtschreibreform und diese dämliche Regierung und diese dämliche Welt und dieser dämliche Kerl, der über so etwas nachdachte. Dann gingen die Schritte weiter und ich machte mir keinen Kopf, ob Schritte gehen konnten. War froh, als sie – na ja, verklangen? Ok, ich hatte meine poetischen fünf Millisekunden.
    »Puh«, machte Borsig, »puh«, machte Katharina, »pah!« machte ich. Noch einmal gutgegangen. Was etwas anderes ist als gut gegangen, ihr Rechtschreibreformidioten. »Warten wir noch ne Minute und hauen dann ab.« Wir warteten noch eine Minute und hauten dann ab.

238
    Hermine lag auf dem Bett und starrte gegen die Decke. Sie dachte einen Satz, den sie nie zuvor gedacht hatte: Ich bin ein Teil der Weltgeschichte. Das Radio plärrte, die Nachrichten waren vorbei, nichts Neues. Warum denkst du auf einmal so was? Weil du jetzt morgens ausschlafen kannst, abends unter älteren notgeilen Männern bist? Nicht mehr bei ALDI die Barcodes ziehst? In einer Kneipe mit, wie heißt das? flacher Hierarchie dir Plattfüße läufst? Denkt man dann so etwas? Sie wusste es nicht. Konnte aber sein. Konnte doch alles sein. Sah man ja.
    Beim Frühstück – hastig, ohne Tischkultur, sie frühstückte allein – dachte Hermine den Satz weiter: Ich bin ein Teil der Weltgeschichte, nein, ich verändere die Weltgeschichte. Irgendwie schon, oder? Das Island-Ding. Da hatte man gerade eine UN-Sondersitzung einberufen, der US-Flugzeugträger schipperte vom Mittelmeer in arktische Gewässer, das dauerte. Und Lydia Gebhardt konnte damit etwas zu tun haben. Eine Randfigur, gewiss, aber das war Hermine auch. Hatte die Realschule abgebrochen, die Lehre zur Bäckereifachverkäuferin (Mehlstauballergie), war beim Discounter und den falschen Männern gelandet. Jetzt: Weltveränderung auf Anlernbasis. Sie machte sich einigermaßen schick, recherchierte im Internet die Privatadresse der Gebhardts (ging ganz leicht), suchte sich den passenden Bus raus – und Abmarsch.
    Hübsches Anwesen. Bisschen neureich und wie es hinter der Mauer ausschaute, wusste man ja nicht. Und nun? Einfach klingeln und Polizeiausweis vorzeigen konnte man nicht. Hällöchen, ich bin die Hermine und Privatdetektivfachangestellte, beantworten Sie mir bitte mal ein paar Fragen?

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