Die effektive Fuehrungspersoenlichkeit
wie sie angeln sollen, nehme ich oft eine einfache Regel zu Hilfe. Ich nenne sie »Regel eins und Regel zwei«. Die gemeinsamen Werte oder vorherrschenden Grundsätze eines Unternehmens sollten stets die oberste Richtschnur des Denkens und Handelns sein – das ist Regel eins. Regel zwei besagt, dass alle anderen Faktoren – Strategie, Struktur, Systeme, Fähigkeiten und Stil – davon abzuleiten sind. Das bedeutet, dass sie mit den Werten und der Realität in Einklang stehen müssen.
Im Modell des Paradigmas der prinzipienorientierten Führung wird deutlich, dass die gemeinsamen Werte eine zentrale Stellung einnehmen. Führungskräfte, die eindeutig formulierte und akzeptierte gemeinsame Werte haben (Leitbilder, Rollen und Ziele), sind viel besser in der Lage, auf die Bedingungen des sie umgebenden Gewässers einzugehen, weil sie auf einer festen, unveränderlichen Grundlage operieren: ihrem Wertesystem, ihren Prinzipien. Sie schöpfen ihre Sicherheit nicht aus Äußerlichkeiten, sondern aus festen inneren Werten.
|203| Im Gegensatz dazu bauen Unternehmen, denen ein gemeinsames Wertesystem auf der Grundlage korrekter Prinzipien fehlt, auf Sand. Sie fühlen sich damit zwar sicher, aber es ist eine trügerische Sicherheit. All die schönen Anglerpokale nützen ihnen nichts, wenn sie den Bezug zum Unternehmensumfeld verloren haben. Wer seine Stärke aus den Leistungen der Vergangenheit bezieht, bereitet langfristig nur der eigenen Schwäche den Weg.
Einmal stellte ich das Paradigma der prinzipienorientierten Führung und die Regeln eins und zwei der Führungsriege eines großen Versicherungsunternehmens vor. Als ich meine Ausführungen abgeschlossen hatte, meinten sie: »Wir müssen eine Quelle gemeinsamer Werte schaffen, damit wir die nötige Freiheit und Kraft gewinnen, um das zu ändern, was bei uns zu ändern ist.«
Zu diesem Zweck empfahlen wir ihnen, ein Leitbild zu formulieren. Wir halfen ihnen dabei, es fest im Unternehmen zu verankern, damit niemand mehr in die alten Gewohnheiten zurückfiel. Manchen Führungskräften fiel dieser Wandel nicht leicht. Ein Manager sagte zu mir, dass er nach vielen inneren Kämpfen nun zu der Überzeugung komme, dass er nach Prinzipien führen müsse. Dies sei der einzige Weg, um effektiv und mit langfristigem Erfolg »zu angeln«.
Angeln und Führen
Schon seit längerer Zeit beeindrucken mich die vielen Parallelen zwischen dem Angeln und dem Führen. Die Tätigkeit der oberen Führungskräfte lässt sich durchaus mit dem Angeln vergleichen: Sie berücksichtigen im Geschäftsalltag alle Faktoren, die auf ein Unternehmen einwirken, und suchen nach Wegen, um die gewünschten Ergebnisse »einzuholen«.
Meiner Meinung nach gibt es im Wesentlichen zwei Angelmethoden: die reaktive und die pro‑aktive. Die reaktive Methode ist ein »Wartespiel«, wie es von Gene Hill treffend beschrieben wird:
Ich angle gerne mit einer künstlichen Fliege, um mir die Zeit zu vertreiben – mit Warten. Dafür erntet man sogar noch Anerkennung,
während jemand, der sich in einer Hängematte ausstreckt oder ein Nickerchen hält, schlicht als faul gilt. Beim Angeln erweckt man den Eindruck, man widme sich einer wichtigen Tätigkeit. Das liegt an den vielen |204| Geräten – da sind die speziell getönte Brille, die Wasserstiefel, das Netz, ein kleiner Fangkorb und das Surren der Angelschnur, wenn sie durch die Führungsstäbe gleitet.
»Das ist ein Mann, der sich einer ernsthaften Tätigkeit widmet«, würde ein Vorbeigehender sagen, der mich wie einen Reiher am Wasser stehen sähe. Weit gefehlt. Was er sieht, ist ein verkleideter Faulpelz, ein Mann, der sich fragt, wo die Zeit nur geblieben ist. Nicht die vergangene Stunde, in der er einer Ente zugenickt oder über eine schlammfarbene Schlange philosophiert hat, sondern die vergangenen fünf oder zehn Jahre. Er denkt über seine Arbeit nach, die er unerledigt zurückließ, die Frauen, die er nicht geliebt hat, und darüber, dass er gestern noch ein Junge war.
In Wirklichkeit sind manche Führungskräfte diesem Angler sehr ähnlich – sie sind verkleidete Faulpelze. Pro‑aktive Führungskräfte dagegen finden eher in der folgenden Beschreibung ein Spiegelbild:
Dauerhaft erfolgreiche Angler wissen, dass unterschiedliche Bedingungen unterschiedliche Verhaltensweisen erfordern. Sie sind flexibel und beobachten das Wasser, um die beste Stelle zu finden, an der sie die Angel auswerfen können. Sie stellen sich ganz und gar auf den Fisch ein.
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