Die Eheprobe
sagen.«
»Du musst«, sagt Nedra. »Also, ich bin nicht prüde, das weiÃt du. Ich bin der Meinung, ein klein bisschen Flirten tut jeder Ehe gut, solange man die sexuelle Energie zurück in die eigene Beziehung lenkt, aber du bist schon längst jenseits des Flirtstadiums.«
Sie schnappt sich mein Handy und blättert durch meine Chats. » Einen Krieg, in dem ein Teil von einem denkt, er überschreitet vielleicht eine Grenze, und der andere Teil denkt, dass diese Grenze quasi darum gebettelt hat, überschritten zu werden. Alice, das ist nicht mehr harmlos.«
Ihr dabei zuzuhören, wie sie die Worte von Forscher 101 laut vorliest, lässt mich schaudern â in einem guten Sinn. Und obwohl ich weiÃ, dass Nedra absolut recht hat, weià ich auch, dass ich nicht dazu imstande bin, ihn ziehen zu lassen. Zumindest noch nicht. Nicht ohne eine richtige Verabschiedung. Oder ohne seine Absichten herauszufinden â falls er überhaupt Absichten hat.
»Du hast recht«, lüge ich, »du hast absolut recht.«
»Gut.« Nedra klingt etwas milder. »Du hörst also auf, mit ihm zu chatten? Du steigst aus der Studie aus?«
»Ja«, sage ich, wobei mir die Tränen in die Augen schieÃen.
»Ach, Alice, komm schon. So schlimm kann es nicht sein.«
»Ich war einfach einsam. Ich wusste nicht, wie einsam ich war, bis wir mit den E-Mails angefangen haben. Er hört mir zu. Er fragt mich Sachen. Wichtige Sachen, und das, was ich sage, hat eine Bedeutung.« Plötzlich weine ich richtig.
Nedra beugt sich über den Tisch und nimmt meine Hand. »Liebes, Tatsache ist: Ja, William ist manchmal ein Idiot. Ja, er hat Fehler. Ja, ihr beide macht vielleicht gerade eine Durststrecke durch. Aber das hier â¦Â«, sie greift sich mein Handy und schüttelt es, »das hier ist nicht echt. Das weiÃt du doch, oder?«
Ich nicke.
»Möchtest du, dass ich euch an eine geniale Paartherapeutin verweise? Sie ist wunderbar. Sie hat einigen meiner Klienten wirklich geholfen, wieder zusammenzukommen.«
»Du schickst deine Klienten zu einer Paartherapeutin?«
»Wenn ich glaube, dass es sich lohnt, ja.«
Später am Nachmittag, als ich auf der Tribüne sitze und so tue, als sähe ich Zoe beim Volleyball zu (alle fünf Minuten brülle ich: »Los gehtâs, Trojaner«, woraufhin sie böse zur Tribüne blickt und mich vernichtend anstarrt), denke ich über William und mich nach. Ein Teil der Verantwortung für meine Gefühle auf Abwegen geht auf seine Kappe, weil er so verschlossen ist. Ich möchte mit jemandem zusammen sein, der mir zuhört. Der sagt: Fang noch mal von vorne an, erzähl mir alles und lass nichts aus.
»Hallo, Alice.« Jude lässt sich neben mir auf einen Sitz plumpsen. »Zoe spielt gut.«
Ich beobachte ihn dabei, wie er Zoe beobachtet, und komme nicht umhin, eifersüchtig zu sein. Es ist so lange her, dass ich auf diese Art und Weise angesehen wurde. Ich erinnere mich an das Gefühl in meiner Teenagerzeit. Sich absolut sicher sein, dass der Junge seine Blicke nicht kontrollieren kann â dass ich das tat, einfach nur, weil ich existierte. Es waren keine Worte nötig. Ein Blick wie dieser brauchte keine Ãbersetzung. Seine Bedeutung war offensichtlich. Ich kann nicht aufhören, dich anzusehen, ich wünschte, ich könnte es, aber ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht.
»Du musst aufhören, ihr aufzulauern, Jude.«
»Tic Tac?« Er schüttelt drei Pfefferminzbonbons in seine Handfläche. »Ich kann eben nicht anders.«
Hatte ich nicht vor höchstens einer Stunde dasselbe zu seiner Mutter gesagt?
»Jude, mein Schatz, ich kenne dich, seit du ganz klein warst, also glaube mir, dass das, was ich sage, liebevoll gemeint ist. Zieh verdammt noch mal weiter.«
»Ich wünschte, ich könnte es.«
Zoe blickt zur Tribüne hoch, und ihr fällt die Kinnlade runter, als sie uns beide zusammensitzen sieht.
Ich springe auf. »Los, Trojaner! Auf gehtâs, Zoe! Super Schmetterball!«, brülle ich.
»Sie spielt im Zuspiel, nicht im Angriff«, klärt Jude mich auf. »Da pritscht man.«
»Super Pritsche!«, brülle ich im Hinsetzen noch mal hinterher.
Jude prustet los.
»Sie wird mich umbringen«, sage ich.
»Jepp«, sagt Jude, als Zoe vor Scham knallrot anläuft.
»Es gibt Neuigkeiten«, sage ich zu William
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