Die Eheprobe
mich unbedingt in den Mâ¢Aâ¢C -Laden auf der Vierten StraÃe in Berkeley schleppen, um Make-up zu kaufen, auf ihre Rechnung. Sie sagt, sie habe versucht, sich an meinen französischen No-Make-up-Look zu gewöhnen, aber nachdem auch nach vier Wochen meine Ãhnlichkeit mit Marion Cotillard nicht zugenommen habe (vielleicht aber zu Marie Curie), müsse etwas unternommen werden. Ich mache mir nicht die Mühe, Nedra darauf hinzuweisen, dass ich mich zwei, vielleicht drei Tage lang schminken werde, und das warâs dann. Sie weiÃ, dass dem so ist, aber es ist ihr egal. Der wahre Grund, warum sie mich mitnimmt, ist, dass sie mich moralisch verpflichten will, ihre Ehrendame, sprich Brautjungfer zu werden. Ich bin mir sicher, dass wir auch noch im Anthropologie-Shop landen werden, wo man mich zwingen wird, ein Kleid anzuprobieren.
Der Berufsverkehr ist gerade erst vorbei, und die StraÃen sind noch voll. Als wir an der Kreuzung von University Avenue und San Pablo Avenue abbremsen, fallen mir zwei Kinder auf, die auf dem Mittelstreifen stehen und ein Pappschild in die Höhe halten.
»Das ist so traurig.« Ich versuche, die Aufschrift zu entziffern, aber wir sind zu weit weg. »Kannst du das lesen, Nedra?«
Sie kneift die Augen zusammen. »Ich wünschte mir wirklich, du würdest dir mal eine Lesebrille besorgen. Ich bin es leid, deine Dolmetscherin zu sein. Vater arbeitslos. Bitte helfen Sie uns. Wir singen umsonst für Sie und nehmen Ihre Wünsche entgegen. O Gott, Alice, bitte flipp jetzt nicht aus«, sagt sie, als wir näher kommen und sich die beiden Kinder in Peter und Zoe verwandeln.
Ich atme scharf ein und mache das Fenster auf. Peter singt gerade Neil Youngs After the Goldrush . Der Fahrer eines Toyota drei Autos vor mir streckt ihnen einen Fünf-Dollar-Schein entgegen. »Du hast eine schöne Stimme, Kleiner«, höre ich ihn sagen. »Das mit deinem Dad tut mir leid.«
Trotz meiner Verwirrung bringt mich Peters engelsgleiche Stimme fast zum Weinen. Er hat wirklich eine schöne Stimme, und die hat er weder von William noch von mir.
Ich recke meinen Kopf aus dem Fenster. »Was zum Teufel treibt ihr da?«
Beide starren mich total schockiert an.
»Lassen Sie sie in Ruhe, Lady. Rücken Sie lieber ânen Zwanziger raus«, meckert mich die Frau aus dem Auto hinter mir lauthals an. »Sie sehen so aus, als könnten Sie sich das leisten.«
Ich sitze auf der Beifahrerseite in Nedras Toyota Lexus. »Das Auto gehört mir nicht«, brülle ich lautstark zurück. »Nur zu Ihrer Information, ich fahre einen Ford.«
»Du hast gesagt, wir sollen uns einen Job suchen«, schreit Zoe mich an.
»Als Babysitter!«
»Es herrscht eine Rezession, falls du es noch nicht gehört hast. Die Arbeitslosenquote liegt bei zwölf Prozent. Da bringt es gar nichts, sich auf Jobs zu bewerben. Man muss sich einen Job erfinden!«, schreit Zoe weiter.
»Sie hat recht«, pflichtet Nedra ihr bei.
»Die Stelle hier ist genial«, sagt Peter. »Wir haben schon über hundert Dollar gemacht.«
»Hundert Dollar für wen? Ihr werdet das Geld einem Obdachlosenverein für die Essensausgabe spenden. Das hier ist oberpeinlich«, zische ich sie an.
Und es macht mir Angst â irgendein Verrückter hätte die beiden dazu bringen können, in sein Auto einzusteigen. Trotz ihres erwachsenen Auftretens sind Peter und Zoe zwei behütete, naive Kinder. Ein Auffrischungskurs über das von Fremden ausgehende Gefahrenpotenzial steht auf dem Stundenplan.
»Ihr geschäftstüchtigen kleinen Dinger«, sagt Nedra. »Ich wusste gar nicht, dass ihr das Zeug zu so etwas habt.«
»Steigt ins Auto«, sage ich, » SOFORT .«
Zoe blickt auf die Uhr. Sie trägt ein Vintage-Kleid von Pucci und Ballettschuhe. »Unsere Schicht endet erst mittags.«
»Was denn, ihr habt eine Stechuhr fürs Betteln?«
»Es ist wichtig, feste Strukturen und regelmäÃige Arbeitszeiten zu haben«, sagt Peter. »Das habe ich in Dads Buch gelesen: 100 Wege zu mehr Motivation â Wie man sein Leben ändert .«
»Steigt ein, Kinder«, sagt Nedra. »Macht, was eure Mutter sagt, oder ich muss bis in alle Ewigkeit ihr farbloses, fleckiges Gesicht ansehen, und daran seid dann nur ihr schuld.«
Peter und Zoe setzen sich auf die Rückbank.
»Ihr riecht nicht wie obdachlos«, stellt Nedra
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