Die Ehre der Am'churi (German Edition)
dauern, bis sie die nächste Siedlung erreichen und einen Schmied dazu zwingen konnten, die Fessel aufzubrechen.
Unvermittelt blieb Jivvin stehen und schenkte seinem unfreiwilligen Gefährten ein schiefes Grinsen.
„Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich müsste mal dringend … na, du weißt schon.“
Gequält erwiderte Ni’yo den Blick. Es war ihnen auch schon vorher klar gewesen, wie schmerzhaft diese erzwungene Nähe werden würde; aber manches musste man tatsächlich erst durchlebt haben, bevor man seinen wahren Schrecken erfasste…
14.
Knapp zwei Stunden später war klar, dass Ni‘yo sich so weit getrieben hatte, wie er konnte. Jivvin hielt ihn mittlerweile fest am Arm, da Ni’yo ständig fiel und sie durch die Kette beide verletzte. Wütend auf seinen Feind, auf alle Elfen dieser Welt und das Schicksal als solches suchte Jivvin nach einem Ort, wo sie unterkriechen konnten. Egal, was er Ni’yo erzählt hatte, er wollte ihn wirklich nicht töten, wenn es sich irgendwie verhindern ließ. Ob er es jemals gewünscht hatte, von einigen kurzen Momenten des höchsten Zornes abgesehen? Er wusste es nicht. Es gab eine Menge Hass zwischen ihnen, Rivalität, Wut. Ni’yo war so seltsam, er reizte Jivvin. Er wollte ihn besiegen, erniedrigen, sich für unzählige Demütigungen rächen. Aber töten? Er wusste es nicht.
Ein halbes Dutzend Kaninchen wurde von ihnen aufgescheucht, panisch versuchten die Tiere, vor ihnen zu fliehen. Vergebens – auch mit der Linken, während er seinen taumelnden Rivalen stützen musste, war Jivvins Zielfähigkeit nicht eingeschränkt. Er schleuderte seine beiden Messer, und zerrte Ni’yo rücksichtslos hinter sich her, um seine Beute einzusammeln. Das Abendessen war gesichert, jetzt brauchte es noch einen guten Lagerplatz.
Sie stürzten beide, als Jivvin auf einem flachen Hügel plötzlich mit dem Fuß
einbrach. Was wie eine stabile, grasbewachsene Anhöhe wirkte, verbarg einen Hohlraum vor den Augen der Welt. Hoffnungsvoll kletterte er die andere Seite hinunter, ohne sich groß darum zu kümmern, dass er Ni’yo dabei ein Stück über den Boden schleifte, und wurde belohnt: Eine kleine Höhle lag vor ihnen, nur von einer Seite zugänglich und gerade groß genug, um zwei Kriegern Unterschlupf zu bieten. Der Untergrund war aus trockenem Gestein und Sand geformt, in der Decke gab es ein Loch – eben das, wo Jivvin hinein getreten war. Es konnte als Rauchabzug für ein Feuer dienen.
„Steh auf!“, herrschte er seinen halb ohnmächtigen Gefährten an, und zerrte ihn brutal an der Kette in die Höhe. Ni’yo stöhnte nur matt, stolperte aber folgsam den Hügel hoch. Jivvin suchte zwischen den Bäumen, lauschte, bis er das Geräusch von Wasser hörte. Der Flusslauf, dem er die letzte Stunde mehr oder weniger gefolgt war, befand sich glücklicherweise in der Nähe. Hier nahm Jivvin die beiden Kaninchen aus, zwang Ni’yo, ihm zu helfen, und vergrub die Felle und nicht essbaren Eingeweide.
„Trink, wir haben nichts, um Wasservorräte mitzunehmen“, brummte er Ni’yo zu, der mit geschlossenen Augen an einem Findling lehnte und am ganzen Leib zitterte. Jivvin trank selbst so viel, wie er nur konnte, knurrte dann unwillig, als offensichtlich wurde, dass Ni’yo nicht mehr aus eigener Kraft handeln konnte.
„Los jetzt!“ Er packte den Verletzten an den Haaren und tauchte ihn gewaltsam in das eisige Wasser. Es dauerte mehrere Augenblicke, bis Ni’yo sich zu wehren begann – sehr schwach. Erbarmungslos hielt er ihn noch etwas länger untergetaucht, einfach nur, um das Gefühl zu genießen, dieses Leben in der Hand zu halten, dann erst zog er ihn hoch. Ein wenig erschreckte er vor sich selbst, wie sehr er es genoss, Macht über seinen sonst unüberwindlichen Feind zu haben.
„Trink!“, befahl er knapp. Ni’yo starrte ihn aus glasigen Augen an, nickte dann und schöpfte einige Handvoll überlebenswichtiger Flüssigkeit. Nicht genug, das war sicher, aber zumindest so viel, dass er die Nacht überstehen würde.
Ungeduldig drückte Jivvin ihm die Kaninchen in die Arme, sammelte selbst so viel loses Holz, wie er nur tragen konnte und kehrte dann zurück zur Höhle. Mehr konnte er nicht tun, um ihr Überleben zu sichern, er war selbst am Ende seiner Kraft, wie er sich ungern eingestand. Aber noch war die Arbeit nicht beendet. In der Höhle schubste er Ni’yo neben sich zu Boden. Dann entfachte er so rasch wie nur möglich ein Feuer. Den notwendigen Funken dafür erzeugte er
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