Die Ehre der Am'churi (German Edition)
Jivvin ihn zurück auf den Boden. Ihm wurde bewusst, wie unbequem seine immer noch klammen Hosen waren. Mittlerweile verbreitete das Feuer angenehme Hitze. Ohne weiter nachzudenken streifte er sich alle Kleidungsstücke vom Leib und breitete sie, so gut es ging, zum Trocknen aus. Er zögerte kurz, entschied sich dann aber, dass Ni’yo ebenfalls ohne den feuchten Stoff besser dran sein würde und zog den wehrlosen Schlafenden aus. Der ließ sich davon allerdings nicht stören. Ungeduldig wartete Jivvin, bis die Fleischstücke einigermaßen durchgebraten waren. Dann endlich konnte er das Feuer so abdecken, dass die Glut erhalten blieb, und legte sich erleichtert nieder, mit dem Rücken zu seinem Feind. Er musste den Arm unbequem verdrehen, aber nicht einmal das konnte ihn wach halten: Kaum berührte sein Kopf den Boden, da wusste er schon nichts mehr und sank in tiefen, heilsamen Schlaf.
Als Jivvin erwachte, war es fast vollkommen dunkel um ihn herum. Die Glut des Feuers gab gerade noch genug Licht ab, dass er sich nicht bei der Suche danach verbrannte. Mühsam entfachte er die Flammen neu, blickte sich dann um. Draußen herrschte tiefe Nacht, durch das kleine Loch in der Decke erblickte er vereinzelte Sterne. Ni’yo hatte sich offenbar noch nicht einmal gerührt, sah aber bereits deutlich besser aus – nicht mehr, als würde er jeden Moment sterben. Jivvin nahm eine der Keulen und begann zu essen, eher aus dem Gefühl heraus, dass es ihm gut tun würde als vor Hunger. Danach fühlte er sich tatsächlich besser und viel zu munter, um sich wieder schlafen zu legen.
Er versuchte sich bequem hinzusetzen, um ein wenig zu meditieren, fand jedoch keine Ruhe. Immer wieder irrte sein Blick zu Ni’yo. Der junge Krieger schlief so tief, dass kein Laut von ihm zu hören war, nicht einmal die seltenen, langsamen Atemzüge.
Jivvin ertappte sich dabei, wie er den nackten, athletischen Körper anstarrte. Er hatte schon unzählige Male nackte Männer gesehen, aber es galt als unhöflich, sich gegenseitig beim Waschen oder Umkleiden anzublicken, deshalb hatte er nie einen seiner Waffenbrüder aus der Nähe betrachtet. Im Augenblick war niemand da, der ihn zurechtweisen würde – was konnte es also schaden? Er schürte das Feuer etwas höher, um mehr Licht zu erhalten, und beugte sich nah an seinen Gefährten heran. Noch nie hatte er bemerkt, wie ebenmäßig dieses Gesicht geformt war. Mit dem neutralen Interesse eines Forschers fuhr Jivvin über die dunklen, feinen Augenbrauen, tastete über die hohen Wangenknochen, folgte der Linie der schmalen Nase, hinab zu den vollen Lippen und dem ausgeprägten Kinn. Wie bei vielen Männern, die von der Küste stammten, hatte auch Ni’yo keinen Bartwuchs, die Wangen waren glatt und weich. Er hatte etwas Fremdländisches an sich, wenn man ihn genau betrachtete. Die meisten Bewohner von Aru besaßen sehr helle Haut, waren blond oder rothaarig. Die Menschen der Hochebenen, von denen auch Jivvin stammte, fielen mit ihren nussbraunen Körperfarben schon auf. Nur unter den Küstenbewohnern fand man solch tiefschwarze Augen und Haare, wie Ni’yo sie besaß. Die Gerüchte, dass sich Schattenelfen unter deren Ahnen befanden, würden wohl nie verstummen, so unsinnig das auch sein mochte. Als ob Elfen sich jemals freiwillig mit gewöhnlichen Sterblichen einlassen würden!
Jivvin löste sich entschlossen von Ni’yos Gesicht, strich ihm mit der Hand über den Hals, beobachtete fasziniert das langsame, gleichmäßige Pochen der Halsschlagader. Die Schlüsselbeine und Schulterknochen standen deutlich hervor. Ni’yo hatte zu lange nichts mehr gegessen, auch, wenn er diesmal wirklich unschuldig daran war. Er befühlte gebannt die wie mit einem Messer definierten Armmuskeln, schlank und doch so stark, wie er aus leidvoller Erfahrung wusste und folgte ihnen bis zu der grässlichen Eisenfessel. Ni’yos Hand ruhte auf dem Boden, von getrocknetem Blut verkrustet. Jivvin ergriff sie, studierte die langen, geschickten Finger. Alle Gliedmaßen des jungen Kriegers waren eher schmal geformt. Vielleicht eine Folge der Hungerzeiten, die er immer wieder hatte durchstehen müssen? Mit einem Blick in das entspannte Gesicht wagte Jivvin sich weiter, berührte den durchtrainierten Oberkörper. Der Flaum der Brusthaare und die weiche Beschaffenheit der Brustwarzen gefielen ihm. Er spielte ein wenig mit ihnen, grinste in sich hinein, als Ni’yo erschauderte und von Gänsehaut überzogen wurde. Dann aber regte sich der
Weitere Kostenlose Bücher