Die Ehre der Am'churi (German Edition)
die bebende Gestalt. War es möglich …?
„Nein, es bereitet mir keine Lust! Jivvin, nein, nein, nicht das, nicht das, bitte, nein, tu das nicht!“
Am’chur! Er war so erleichtert gewesen, dass Ni’yo sich offensichtlich nicht erinnerte, nicht bewusst miterlebt hatte, wozu er aus Neugier getrieben worden war. Offenbar erinnerte sich aber Ni’yos Körper nur zu genau, zwang den Unglücklichen, es im wahnhaften Rausch zu durchleben – und fortzuführen.
So weit wäre ich doch niemals gegangen, nie! Ein bisschen anfassen ist das eine, aber Vergewaltigung …
Aber war das so sicher? Jivvin hätte am liebsten mit Ni’yo zusammen geschrien. Er konnte nicht leugnen, dass diese Gedanken da gewesen waren. Die Vorstellung, wie es sein könnte. Das Verlangen, es einfach zu wagen. Sich den wehrlosen Körper zu nehmen, ganz und gar, ihn zu besitzen. Zu beherrschen und zu unterwerfen.
Sich so etwas vorzustellen bedeutet nicht, dass man es auch wirklich ausführt! , dachte er entsetzt.
Gerne hätte er versucht, Ni’yo zu beruhigen, zu trösten, auf ihn einzureden. Zu hoffen, dass seine Stimme die Wahnträume durchdrang und half, den Schrecken zu lindern. Doch er wusste nur zu genau, seine Stimme, seine bloße Berührung würde alles nur noch verschlimmern. Das Grauen noch weiter schüren. Also blieb er, wo er war, lauschte den entsetzlichen Schreien, dem hilflosen Schluchzen und den immer seltener werdenden Bitten um Gnade; spürte das gepeinigte Aufbäumen und Zucken seines Feindes und ließ sich von der doppelten Schuld auffressen. Er hatte Ni’yo die Rauschbeere aufgedrängt. Er hatte die Grundlage für diesen Alptraum geschaffen. Und wie sollte er vor sich selbst leugnen, dass er nur allzu sehr das Verlangen spürte, genau das zu tun, was dieser Mann gerade in seiner Schreckenswelt durchlitt?
18.
Ni’yo spürte kühle Feuchtigkeit auf der Stirn. Jemand wischte über sein Gesicht, es tat gut. Er war so müde …
„Bist du wach?“, hörte er eine ferne Stimme.
Jivvin.
Panikwellen rasten durch seine Adern. Keuchend fuhr er hoch, starrte mit weit aufgerissenen Augen in das Gesicht seines Peinigers, versuchte ihm zu entkommen.
Nicht noch einmal, oh bitte …
Rasender Schmerz in seiner rechten Hand hielt ihn auf. Starr vor Angst wartete Ni’yo, dass es weitergehen würde. Konnte es denn nicht enden? Konnte Jivvin ihn nicht einfach töten?
Er sah seinen Feind über sich, presste die Augen zusammen. Zu oft in den letzten Stunden hatte er die Gier in Jivvins Blick gesehen, das dämonische Leuchten, das jeden Funken Menschlichkeit auslöschte. Wimmernd zuckte er vor der Berührung an seinem Arm zurück. So schwach, warum nur war er so schwach? Nicht einmal wehren konnte er sich.
„Ni’yo, sieh mich an.“ Ihm wurde plötzlich bewusst, dass Jivvin diese Worte schon mehrmals wiederholt hatte. Nicht als Befehl, sondern als zögernde Bitte. Im gleichen Moment spürte er, dass er nicht nackt war, und die vernichtenden, glühenden Schmerzen in seinem Unterleib fehlten.
Verwirrt blickte er hoch. Keine Gier. Kein Dämon. Es war Mitleid, Sorge, was er in Jivvins Augen las, und noch etwas, das er nicht verstand.
Die Fessel, sie war wieder da. Aber Jivvin hatte ihm doch die Hand abgerissen, mit einem einzigen Ruck, und vor Freude gelacht, als er sie erst ins Feuer warf und dann vor seinen Augen aufaß …
Es dämmerte, sie waren im Wald. Vorhin hatten sie sich doch noch in einem Kerker befunden?
Ni’yos Verstand kämpfte gegen die letzten Nachwirkungen der Rauschbeere. Langsam entspannte er sich, versuchte, der Panik Herr zu werden, die sein Herz noch immer wie wild schlagen ließ.
„Es ist alles gut“, flüsterte Jivvin kaum hörbar. „Verstehst du mich?“
Ni’yo nickte und legte sich den freien Arm über die Augen. Das schwache Licht der untergehenden Sonne schmerzte, ebenso der Schein des nahen Feuers. Er versuchte etwas zu sagen, doch seine Stimme gehorchte ihm nicht. Nur heiseres Röcheln kam über seine Lippen, das in seiner wunden Kehle brannte.
„Schon gut. Du hast so sehr geschrien, versuch es nicht.“
Das fürsorgliche, mitleidsvolle Verhalten seines Feindes machte Ni’yo mittlerweile mehr Angst als die Erinnerungen an den grausamen Alptraum. Wenn er laut geschrien hatte, dann hatte er vermutlich auch geweint, und um Gnade gefleht, Jivvins Namen gerufen … Tief beschämt drehte er den Kopf zur Seite. Oh Am’chur! Schlimm genug, solch einen Wahn zu durchleben, musste er sich dabei auch
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