Die Ehre der Königin
offensichtlichem Widerwillen. »Ich gebe durchaus zu, daß es irrsinnig klingt, aber überlegen Sie doch einmal, daß Grayson im Moment ein siedender Druckkochtopf ist. Wenn ich tot wäre und Ihre Leiche als ›Beweis‹ vorläge, hätte Jared vermutlich hinreichend Panik und Verwirrung erzeugen können, um sich ins Amt zu manövrieren, und dann hätte er die Verhandlungen sofort abgebrochen. Wenn dies geschehen wäre und Jared Commander Truman mitgeteilt hätte, daß ihre Schiffe im Jelzin-System nicht länger willkommen wären, was hätte sie tun können, als abzurücken? Ganz besonders, wenn er jeden Versuch, länger im System zu bleiben, als weiteren ›Beweis‹ für Manticores Übernahmepläne ausgelegt hätte?«
»Da hat er recht, Honor«, murmelte Truman und zupfte sich an einer goldenen Haarsträhne. »Verdammt noch mal! Ich gebe es wahrhaftig nicht gerne zu, aber da hat er recht!«
»Wenn die Masadaner also Jareds Zeitplan kannten und das innere System nach systemauswärts gerichteten Impellersignaturen absuchen, werden sie bereits wissen, daß er versagt hat«, stellte Honor fest.
»Es sei denn, wir haben unglaubliches Glück, und sie glauben, wir wären bei den Frachtern«, gab Truman zu bedenken.
»Das halte ich für ausgeschlossen«, erwiderte Mayhew. »Sie wissen ganz genau, wieviel manticoranische Schiffe im Jelzin-System sind. Dafür hat Jared gesorgt – und er hat den Masadanern auch präzise verraten, welche Kriegsschiffklassen sich im System befinden.«
»Ach du Scheiße !« murmelte Venizelos hörbar, und ein freudloses Lächeln strich über das Gesicht des Protectors.
»Dann müssen wir uns darauf vorbereiten, daß sie binnen kurzem militärische Aktionen einleiten werden.« Honor stellte fest, daß sie sich schon wieder über die taube Gesichtshälfte strich, und diesmal ließ sie es geschehen. »Protector Benjamin, das erfordert sofortiges Handeln – wir dürfen keine Zeit vergeuden. Ich muß mich sofort mit Ihrer Navy absprechen können.«
»Einverstanden. In dieser Hinsicht werden Sie in Zukunft keine Probleme mehr haben.«
»Dann haben Sie Admiral Garret abgelöst?« fragte Honor voller Hoffnung.
»Nicht gerade abgelöst.« Sie verengte ihr gesundes Auge, doch Mayhew lächelte sie fast unbefangen an. »Mir ist es gelungen, ihm ein wenig das Gesicht zu bewahren, Captain – was bei unserer gegenwärtigen Lage sehr wichtig ist. Anstatt ihn abzulösen, habe ich ihm das Kommando über Graysons fest installierte orbitale Verteidigungsanlagen erteilt. Commodore Matthews wurde zum Admiral befördert und wird unsere beweglichen Einheiten kommandieren. Ich habe ihm sehr deutlich gemacht, daß dies für ihn bedeutet, seine Züge und Ressourcen Ihren Vorgaben anzupassen, aber das ist kein Problem für ihn.«
»So könnte es gehen«, sagte Honor, und ihre Gedanken rasten, »aber Ihre Kommandozentrale ist noch immer der Hauptkommunikationsknoten, Sir. Wenn Garret sich zum Schmollen entschließt …«
»Wird er nicht, Captain. Er würde nichts wagen, was irgend jemand auf diesem Planeten als gegen Sie gerichtete Beleidigung auffassen könnte.« Honor hob die Augenbrauen erneut, diesmal über die absolute Sicherheit in seiner Stimme, und nun war es an ihm, erstaunt dreinzusehen.
»Haben Sie die Nachrichtensendungen nicht verfolgt, Captain?«
»Sir, ich bin vor gerade vierzig Minuten aus dem Lazarett gekommen.« Honor runzelte die Stirn und wunderte sich über den Zusammenhang der Nachrichtensendungen mit den bevorstehenden Operationen. Dann erinnerte sie sich an Venizelos’ eigenartigen Gesichtsausdruck, mit dem er seinerseits die Nachrichten erwähnt hatte. Sie sah ihn scharf an, und er zuckte mit etwas, das verdächtig an ein Grinsen erinnerte, die Achseln.
»Ich verstehe.« Mayhews Stimme lenkte ihren Blick zurück auf den Combildschirm. »Dann können Sie ja noch nichts davon wissen. Eine Sekunde.« Er stellte die Tonübertragung ab und drehte den Kopf, um mit jemandem außerhalb des Bildes zu sprechen, dann wandte er sich wieder an Honor.
»Was Sie nun zu sehen bekommen, wird seit dem Attentat praktisch nonstop über die Videokanäle gesendet. Eine Gabe des Überwachungssystems im Palast, Captain. Ich nehme an, es ist mittlerweile von mehr Augen und häufiger gesehen worden als jede andere Nachrichtenmeldung in unserer Geschichte.« Sein Gesicht verschwand vom Schirm, bevor sie fragen konnte, wovon er eigentlich sprach. Eine Sekunde lang war der Bildschirm dunkel – dann erschien
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