Die Ehre der Königin
Tremaines Stimme war kühl, sehr kühl.
»Sir, es ist so … Commander Venizelos schickte mich hinunter nach Grayson, um Admiral Courvosiers Gepäck abzuliefern«, begann sie elend. Sie hatte die Frage etwas geschickter formulieren wollen, und sie wußte, daß es ausgesprochen dämlich von ihr war, eine Frage zu stellen, die man als Kritik an ihrem kommandierenden Offizier auffassen konnte. »Ich sollte einen Botschaftsangehörigen treffen, doch da war nur dieser … graysonitische Offizier.« Erneut brannte ihr das Gesicht, doch diesmal vor Scham. »Er sagte mir, ich könne dort nicht landen – ich hatte Freigabe für den Platz, Sir, aber er sagte mir, ich könne dort nicht landen. Und daß – daß ich kein Recht besäße, mich als Offizier auszugeben, und ich solle … solle nach Hause gehen und mit meinen Puppen spielen, Sir.«
»Und Sie haben dem Eins-O nichts davon gemeldet?« Die beunruhigende Kälte in Tremaines Stimme richtete sich diesmal nicht gegen sie, begriff Wolcott erleichtert.
»Nein, Sir«, antwortete sie leise.
»Was hat er sonst noch gesagt?« wollte der Lieutenant wissen.
»Er …« Wolcott atmete tief durch. »Das möchte ich lieber nicht wiedergeben, Sir. Ich wies mich mit meiner Freigabe und meinen Befehlen aus, und er lachte einfach. Er sagte, sie spielten keine Rolle. Sie stammten lediglich vom Captain, nicht von einem echten Offizier, und er nannte sie …« Wolcott unterbrach sich. Ihre Hände schlossen sich fest um die Kaffeetasse. »Er sagte, es sei höchste Zeit, daß wir ›Schlampen‹ machten, daß wir aus dem Jelzin-System wegkämen, und dann …« Sie wandte das Gesicht ab und biß sich auf die Lippe. »Dann versuchte er, mir in die Jacke zu greifen, Sir.«
»Er hat was?!«
Tremaine war halb aus dem Sessel aufgesprungen, und alle Gesichter in der Messe fuhren zu ihnen herum. Wolcott sah sich wie in Todespein um, und er setzte sich wieder, ohne den Blick von ihr zu nehmen. Sie rang sich ein Nicken ab. Tremaine verengte die Augen zu Schlitzen.
»Warum haben Sie den Kerl nicht gemeldet?« Seine Stimme war leiser, aber noch immer sehr streng. »Die diesbezüglichen Befehle des Captains mußten Ihnen doch bekannt sein!«
»Aber ich …« Wolcott zögerte und sah ihm in die Augen. »Sir, wir standen kurz vor der Abreise, und dieser Grayson – er glaubte anscheinend, wir würden abreisen, weil die Kommandantin vor … vor der Behandlung durch die Graysons davonlief. Ich weiß nicht, ob er damit recht hatte oder nicht, Sir«, fügte sie beinahe verzweifelt hinzu, »und selbst wenn er unrecht hatte, war geplant, eine Stunde später den Orbit zu verlassen. Mir ist so etwas noch nie zuvor passiert, Sir! Wenn es in der Heimat passiert wäre, dann hätte ich … Aber hier draußen wußte ich einfach nicht, was ich tun sollte, und wenn ich … wenn ich der Kommandantin gemeldet hätte, was er über sie gesagt hat …!«
Sie unterbrach sich und biß sich wieder auf die Lippe, heftiger diesmal, und Tremaine holte tief Luft.
»Also gut, Ms. Wolcott. Ich verstehe. Hören Sie zu. Sie werden folgendes tun. Sobald die Wache des Eins-O zu Ende ist, werden Sie ihm das Geschehnis zur Meldung bringen, so genau Sie können, Wort für Wort, aber Sie werden ihm nicht sagen, daß Sie jemals auch nur in Erwägung gezogen haben, der Captain könnte ›davonlaufen‹.«
Sie sah verlegen aus und unglücklich, und Tremaine berührte sie leicht am Arm.
»Hören Sie! Ich glaube nicht, daß Captain Harrington überhaupt weiß, wie man davonläuft. Natürlich macht sie im Moment einen taktischen Rückzug, aber nicht, weil die Graysons sie vertrieben haben, ganz gleich, was die vielleicht denken. Wenn Sie Commander Venizelos gegenüber auch nur andeuten, was Sie über diese Sache gedacht haben, dann wird er Ihnen wahrscheinlich den Kopf abreißen.«
»Davor hatte ich Angst«, gab sie zu. »Aber ich konnte überhaupt nichts einschätzen. Und … und wenn die Graysons recht gehabt hätten, dann hätte ich die Sache für die Kommandantin nicht noch schlimmer machen wollen, und was sie über sie gesagt haben, war so schlimm, daß ich einfach nicht …«
»Ms. Wolcott«, unterbrach Tremaine sie sanft, »wenn es eins gibt, was der Skipper Ihnen garantiert niemals vorwerfen wird, dann die Handlungen anderer, gerade im bezug auf Belästigung. Ich glaube, das liegt an …« Er unterbrach sich und schüttelte den Kopf. »Ist auch egal. Sprechen Sie mit dem Eins-O, und wenn er Sie fragt, warum Sie so lange
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