Die Ehre der MacKenzies (German Edition)
hatte noch keinen Tag in ihrem Leben gearbeitet, geschweige denn war sie unter den Fittichen ihres Vaters hervorgekrochen. Bis heute.
Miss Lovejoy war mit einer Freundin zu einem Einkaufsbummel unterwegs gewesen, als drei Männer sie gepackt und in ein Auto gezerrt hatten. Die Freundin hatte geistesgegenwärtig sofort Alarm geschlagen. Trotz Sperrung der Häfen und Flughäfen – Zane vermutete, dass die griechischen Dienststellen ihre Mühlen nicht ganz unabsichtlich langsam mahlen ließen – war ein Privatflugzeug vom Athener Flughafen aus nach Benghazi gestartet.
Immerhin hatten Quellen vor Ort berichten können, dass eine junge Frau, deren Beschreibung auf Miss Lovejoy passte, vom Flughafen in Benghazi in die Stadt und in das Gebäude gebracht worden war, in das Zane und sein Team nun eindringen würden.
Das musste einfach sie gewesen sein. Es gab nicht viele rothaarige weiße Frauen in Benghazi. Nein, Zane war sicher, dass es sich um Barrie Lovejoy handelte.
Sie verwetteten ihr Leben darauf.
2. KAPITEL
E s war dunkel. Schwere Vorhänge sperrten alles Licht aus. Barrie wusste, es war Nacht, die Geräusche von draußen waren abgeflaut, jetzt war es fast still. Ihre Entführer hatten sich zurückgezogen, wahrscheinlich schliefen sie. Dass Barrie flüchten könnte, darum brauchten die Männer sich keine Gedanken zu machen. Sie war nackt an ein schmales Bett gefesselt, die zusammengebundenen Handgelenke über dem Kopf mit einem Strick fest an das Gestell gewickelt, die Fußgelenke ans untere Bettende gekettet. Sie konnte sich kaum rühren, alles tat ihr weh. Die Schultern waren das Schlimmste. Sie wollte am liebsten schreien, rufen, dass jemand ihr die Stricke lösen möge, damit sie die unerträglich schmerzenden Muskeln lockern könnte. Aber dann würden nur die Männer kommen, die sie hier angebunden hatten. Barrie würde alles aushalten, um diese Fratzen nicht sehen zu müssen.
Ihr war eiskalt. Man hatte ihr nicht einmal eine Decke über den nackten Körper geworfen. Sie zitterte wie Espenlaub, auch wenn sie nicht hätte sagen können, ob das von der Kälte oder vom Schock herrührte. War ihr auch egal.
Sie versuchte zu überlegen. Versuchte, die Schmerzen zu ignorieren. Sich Schock und Angst nicht zu ergeben. Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand, wusste nicht, ob und wie sie fliehen könnte, aber eines stand fest: Sobald sich auch nur die kleinste Chance bot, würde sie sie ergreifen. Heute sicherlich nicht, die Stricke waren zu eng, ihr Bewegungsspielraum zu eingeschränkt. Aber morgen …, oh Gott, morgen.
Panik überfiel sie und machte ihr das Atmen schwer. Morgen würden die Männer zurückkommen, zusammen mit dem, auf den sie warteten. Ein gewaltiger Schauder packte Barrie, als sie sich daran erinnerte, wie grob die Kerle mit ihr umgegangen waren. Die widerlichen Hände auf ihrem nackten Körper, das anzügliche Grinsen, die Kommentare, die sie nicht verstand. Sie hätte sich übergeben, hätte sie etwas im Magen gehabt. Aber niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihr etwas zu essen zu geben.
Das würde sie nicht durchhalten. Irgendwie musste sie hier weg.
Verzweifelt kämpfte sie gegen die Panik an. Gedanken flimmerten ihr wild durch den Kopf. Sie musste sich etwas einfallen lassen, irgendetwas, einen Plan, wie sie sich schützen und entkommen konnte. Aber wie? Sie lag hier wie ein fest verschnürtes Paket.
Scham und Erniedrigung brannten in ihr. Man hatte sie nicht vergewaltigt, aber die Männer hatten ihr Dinge angetan, um sie zu terrorisieren, um ihr Angst einzujagen und um ihren Willen zu brechen. Morgen, wenn der Kopf der Gruppe ankam, wäre ihre Schonfrist wohl vorbei. Sollten sie sich tatsächlich an ihr vergehen, würde sie das endgültig brechen. Barrie würde alles tun, um das zu verhindern.
Als sie gepackt und verschleppt wurde, hatte sich ein dichter Nebel aus Angst und Schock über sie gelegt, doch jetzt, da sie hier im Dunkeln lag, zitternd und kalt und elend, hob sich dieser Nebel langsam. Niemand, der Barrie kannte, hätte sie als ungestüm oder aufbrausend bezeichnet, aber das, was sich jetzt in ihr aufbaute, war pure Wut, heiß und verzehrend wie Lava aus den Tiefen des Erdkerns.
Nichts in ihrem Leben hatte sie auf diese letzten Stunden vorbereitet. Nachdem ihre Mutter und ihr Bruder gestorben waren, war sie in einer so geschützten und behüteten Atmosphäre aufgewachsen, wie sie nur extrem wenigen Kindern zuteilwurde. Sie hatte ihre Schulkameradinnen erlebt, die
Weitere Kostenlose Bücher