Die Ehre der Slawen
Paddie mit vier kurzen Paddeln herbeieilte. Innerhalb weniger Augenblicke befanden sich die beiden Jungs auf den Weg, um Rapak und Thietmar in den Schutz der Insel zu holen. Gleichmäßig und fast geräuschlos tauchten sie ihre Paddel in das Wasser und der Einbaum glitt trotz seines enormen Gewichtes schnell und leicht über den See.
»Sag mal, müssten wir unserem Waldkrieven nicht auch eine Warnung zukommen lassen?«, flüsterte Bikus plötzlich, nachdem er wieder halbwegs zu Atem gelangt war.
»Hmm«, überlegte Paddie, »meinst du, er ist im dichten Wald nicht sicher genug?«
Bikus dachte ungewöhnlich lange nach und sprach dann irgendwie um den Brei herum, als ob ihn etwas bedrückte: »Na ja, dein Schwesterlein befindet sich doch in seiner Obhut, damit er ihre Wunden versorgt.«
»Ja, und? Das ist doch in Ordnung so, oder?«
Als Bikus nicht sofort antwortete, überfiel Paddie eine seltsame innere Unruhe.
»Was ist los? Sag mir, woran du denkst.«
Sein kleiner Dicker zuckte etwas verlegen und ratlos mit den Schultern. »Na ja, vielleicht hat es auch nichts zu bedeuten.«
»Was hat nichts zu bedeuten?«, wurde Paddie ungeduldig.
Fast kam Paddie aus dem Takt, als eine furchtbare Schreckensvision über ihn herfiel.
»Also, das ist so«, rückte Bikus endlich mit seinen heimlichen Sorgen raus.
»Du hattest doch bestimmt bemerkt, dass mein Brüderchen in letzter Zeit immer am Rockzipfel deiner kleinen Schwester hing.«
»Ja, und weiter?«, forderte Paddie zutiefst beunruhigt.
»Nun ja, weil er ja noch nicht allein in den Wald gehen darf, ist er heute Vormittag mit der Schnattergans aufgebrochen, um Dusa einen Krankenbesuch abzustatten.«
»Schnattergans?«
»Na, die streitsüchtige Kosi, du weißt schon. Aber am Nachmittag wollten beide wieder zurück sein …«
Paddie kam nun endgültig aus dem Takt und ihr kleines Boot drehte sich aus der Richtung.
»Sag jetzt nicht, dass sie noch nicht wieder hier sind!«
»So ist es.«
»Und das sagst du erst jetzt?«, fuhr Paddie erregt auf, sodass ihr Einbaum beinahe kenterte.
»So beruhige dich doch«, bettelte Bikus, wobei er versuchte, das schwankende Gefährt auszubalancieren.
»Es ist doch ebenso gut möglich, dass sie sich versteckten oder umkehrten, als sie das große Reiterheer bemerkt hatten. Wir machen uns womöglich umsonst die größten Sorgen, während sie schon längst wieder im Hause des Krieven unter einer kuscheligen Decke liegen und tief und fest in ihren Lieblingsträumen versunken sind.«
Paddie schüttelte sich: »Unser Plan wird geändert!«
»Wie, was wird geändert?«
»Wir verstecken das Boot im Schilf und suchen Rapak und Thietmar. Wenn wir sie gefunden haben, laufen wir zum Krieven und sehen nach dem Rechten. Erst wenn dort auch alles in Ordnung ist, fahren wir zurück.«
Bikus stöhnte: »Au weia, da muss ich ja schon wieder laufen.«
»Wenn du nicht willst, kannst du ja mit Thietmar allein zurückfahren. Rapak und ich können schwimmen, wir brauchen das Boot nicht unbedingt.«
Bikus dachte kurz über das verlockende Angebot nach, schüttelte aber gleich darauf energisch den Kopf.
»Du willst, dass ich euch im Stich lasse? Niemals!«
»Dann wirst du wohl oder übel mitkommen müssen«, bestimmte Paddie mit sorgenvoller Stimme, »denn der Plan wird auf keinen Fall geändert.«
»Wenn du meinst«, seufzte Bikus ergeben und spürte, wie seine müden Beine plötzlich doppelt so schwer wogen.
*
Kapitel 18
Kaum bis an die Kronen der Bäume reichend, dafür aber umso dichter, trieben schwere Nebelschwaden langsam über den stillen See. Leise wallend durchquerten sie den breiten Schilfgürtel, hinterließen eine triefende Nässe und zogen schwerfällig am flachen Ufer entlang. Im Osten kündete ein tiefroter Schimmer die Morgendämmerung an, während inmitten des Waldes noch eine schummrige Finsternis herrschte. Milliarden winziger Tautropfen hatten sich an die unzähligen Spinnenweben geheftet und ließen sie glitzern, als seien sie über und über mit edelsten Steinen besetzt.
»Rapak! Thietmar!«
Die leisen, verhaltenen Rufe von Paddie und Bikus verloren sich ungehört in den dichten Schlehen- und Haselsträuchern, die an vielen Stellen den Waldesrand säumten. Jedoch nur ein paar aufgeschreckte Wasservögel antworteten ihnen schnatternd. Von den zurückgelassenen Freunden hingegen war weit und breit nichts zu sehen, geschweige denn
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