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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Umständen am wirkungsvollsten schien. Der alte Slawe gab sich aber keinen Illusionen hin, dass er dem deutschen Heer auf Dauer standhalten könnte, oder es letztendlich gar siegreich zurückzuschlagen vermochte. Dazu war des Ritters Streitmacht viel zu mächtig. Alles, was der Moriczerfürst für eine erfolgreiche Verteidigung brauchte, das war Zeitgewinn. Zeit, die seine Boten benötigten, um die umliegenden Dörfer zu alarmieren, Zeit, um ausreichend Waffenhilfe herbeizurufen.
     Nun denn, die Vorbereitungen waren abgeschlossen und die zum Kampf bereiten Dorfbewohner ruhten sich im Schatten der Palisade von ihren Anstrengungen aus. Zwei Wachtposten auf dem Torhaus und zwei weitere Wachen am anderen Ende des Dorfes gäben rechtzeitig Alarm, wenn der Feind anrückte. Die meisten Frauen, Kinder und Greise waren auf der Inselburg in vorläufiger Sicherheit. Milosc hatte somit alles getan, was in seiner Macht stand, um sein Dorf zu schützen.
     Mittag war längst vorüber und der vermeintliche Zeitpunkt des Angriffs sollte unmittelbar bevorstehen. Wer aber nicht kam, das waren des Ritters Kriegsknechte. Der Nachmittag brach an, ohne dass sich irgendetwas Besonderes ereignete.
     Eine eigentümliche Anspannung lag in der Luft und begann an den Nerven der Siedler zu zerren. Vom Waldesrand her hallte dumpf das Pochen und Hämmern der Angreifer wider. Bereits seit den frühen Morgenstunden klangen diese bedrohlichen Geräusche in den Ohren der Dorfbewohner. Bis weit in die Mittagszeit waren sie allerdings mit ihren eigenen Vorbereitungen viel zu sehr beschäftigt gewesen, um groß darauf zu achten. Aber nun, wo sie nur noch untätig warten mussten, machten sie die Kampfvorbereitungen des Feindes langsam mürbe. Schon längst waren sämtliche Unterhaltungen verstummt. Keine strategischen Ratschläge oder irgendwelche aufmunternde Worte machten die Runde. Jedermann war vollauf mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Stumpf vor sich hinbrütend, sich ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit sehr wohl bewusst, lauschten die meisten Verteidiger einfach nur noch den hallenden Axt- und Hammerschlägen und glaubten, so etwas wie einen Takt des Todes aus ihnen heraushören zu können.
     Milosc nahm seinen Helm ab und betrachtete ihn gedankenversunken. Es war ein schöner, einzigartiger Kopfschmuck und so blank poliert, dass man sich darin spiegeln konnte. Sein Schmied hatte einstmals ganze zwanzig Tage und Nächte daran gearbeitet, um ihn das Aussehen zu verleihen, das er jetzt hatte. Die Grundform glich der einer tiefen, ovalen Schüssel, perfekt den Maßen seines Kopfes angepasst. Zum Schutze der Ohren hatte der Schmied dicke Lederplatten an den Helmrand genietet, die aus der besonders zähen Nackenhaut eines alten Wisentbullen bestanden. Vorn, an der Stirnseite des Helmes, aber glänzte in goldenen Tönen das Wappen der Moriczer: der Kopf eines mächtigen Stieres mit weit aufgerissenem Maul. Aus feiner Bronze gegossen, sorgfältig stilisiert und anschließend auf Hochglanz poliert, schimmerte der Stierkopf, als sei er aus purem Gold. Oben, auf der Spitze des Helmes, befand sich eine kleine Einfassung. In diese waren die sorgfältig gebürsteten Schweifhaare eines geweihten Schimmels eingelassen: das Statussymbol eines jeden Slawenfürsten.
     Liebevoll nahm Milosc seinen Hemdsärmel und wischte etwas Staub vom Helm. Anschließend fuhr er sich mit demselben Ärmel kurz über die Stirn, setzte sich den Kopfschutz wieder auf und zog langsam den Kinnriemen fest.
     Mächtiger Swarozyc, warum dauert das nur so lange? , grübelte der alte Slawenfürst und versuchte irgendwie die Zeit zu überbrücken, die einfach nicht verrinnen wollte. Das Warten auf den Angriff machte nervös.
     Milosc drehte sich um und spähte durch eine kleine Lücke zwischen den Baumstämmen. Still und friedlich lag die Wiese vor ihm. Ein paar Schmetterlinge flatterten über die Gräser, hier und dort flogen einige kleine Vögelchen auf, aber von einem Angreifer war weit und breit nichts zu sehen. Nur hören konnte er sie: Poch, poch, pochpoch …
     Zum wiederholten Male unterzog der Fürst seine bereitgelegten Waffen einer genauen Inspektion. Er wusste nicht mehr, wie oft er heute seinen Köcher mit Pfeilen geprüft hatte. Jeden Einzelnen hatte er mehrmals zur Hand genommen und gewogen. Er hatte die langen Schäfte vor das Licht gehalten – sie waren allesamt aus gerade gewachsenem Holz geschnitzt, er hatte die scharf geschnittenen Federn durch seine Finger

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