Die Ehre der Slawen
geflissentlich, dass der Priester die vorgeschriebene Anrede, »edler«, weggelassen hatte. Vielleicht war es doch klüger, wenn auch er ein klein wenig nachgäbe. Als unerschrockener Kämpfer fürchtete er sich zwar vor keinem Gegner, die Angst vor dem Satan war jedoch übermächtig. Und bei Gott, er hatte schon genug Sünden auf dem Kerbholz. Außerdem, wer konnte schon wissen, wann einem selbst der Tod ereilte. Er brauchte sich doch nur vorzustellen, dass der Sensenmann bereits während der nächsten Schlacht, vielleicht sogar noch am heutigen Tage, zu ihm käme und sagte: »Deine Zeit ist um!« Wer um alles in der Welt sollte ihm dann hier, in diesem verfluchten Heidenland, zu seiner letzten Stunde die Beichte abnehmen? Dies konnte doch nur dieser verfluchte Pfaffe oder einer seiner Mitbrüder tun. Also war es wohl ratsam, ein klein wenig zurückzustecken, auch wenn es noch so schwerfiel. Als Zeichen seines Entgegenkommens legte Udo eine Hand aufs Herz und neigte leicht den Kopf.
»Recht so, mein Edler! Lasst uns also unseren kleinen Zwist begraben und ich will Euch am heutigen Abend in meine Gebete einbeziehen, um beim Allmächtigen für Euer Seelenheil zu bitten.«
Bei diesen Worten unterdrückte Oddar mühsam das leichte Beben in seiner Stimme. Der Streit hatte ihn mehr erregt als ihm lieb war. Froh, seine zitternden Hände in den Kuttenärmeln verbergen zu können, versuchte er gleichmäßig zu atmen, um sein Gemüt zu beruhigen. Bei Gott, es fehlte ihm noch, dass dieser Ritter etwas von seiner inneren Aufgewühltheit verspürte. Mit Sicherheit hätte er dies als Angst und Schwäche ausgelegt. Und beim Allmächtigen, als Udo sein Schwert zog, hatte er wirklich Angst gehabt, Todesangst!
Im Versuch, seiner Stimme einen festen Klang zu geben, sprach er hastig weiter, um von sich selbst abzulenken: »Also gut, mein edler Ritter, nachdem dies erledigt ist, wenden wir uns nun wieder den weltlichen Problemen zu. Welchen Rat wollt Ihr dem armen Schäflein geben?«
Nun war es an Udo, keine Blöße zu zeigen und seine überragenden Fähigkeiten als Heerführer auszuspielen. Er würde es diesem Pfaffen schon beweisen, aus welch edlem Holz er geschnitzt war. In Sekundenschnelle schmiedete er Pläne und verwarf sie wieder. Alles, was ihm einfiel, war zu aufwendig und zu zeitraubend. Schließlich kam ihm doch noch ein rettender Gedanke, auch wenn er so einige Nachteile mit sich brachte.
»He, du da«, sprach er den Knecht an, »höre meinen Befehl und teile ihn dann sogleich den anderen Nichtsnutzen mit.«
Händeringend wagte es der Unfreie, nicht seinem Herren direkt in die Augen zu schauen. Mit angstvoller Miene legte er den Kopf etwas zur Seite und nickte schnell und heftig. Udo war mit der stummen Unterwürfigkeit zufrieden, setzte wieder sein arrogantes Grinsen auf und kreuzte für einen kurzen Moment die Blicke des Priesters.
»Du und die anderen Unbedarften, ihr begebt euch sofort zum Tross. Stellt Holzböcke unter die Wagen und nehmt so viel Räder ab, wie ihr braucht.«
Hochzufrieden mit sich und seiner überragenden Idee schaute er selbstgefällig in Oddars Richtung, der jedoch nur nachdenklich mit dem Kopf wackelte.
Kaum hatte der Knecht sich erhoben, rief Udo ihm einen weiteren Befehl zu: »Wenn der Schatten jenes Baumes dort diesen Strich erreicht hat«, er zog seinen Stiefelabsatz quer über den weichen Boden, »will ich zum Angriff blasen lassen. Gott sei eurer Seele gnädig, ihr dummes Gesindel, wenn ihr dann immer noch nicht fertig seid!«
So kam es, dass der edle Ritter seinen Plan in greifbare Nähe rücken sah. Der Angriff fände noch am heutigen Tage statt. Viel später zwar als geplant, aber nicht um mehrere Tage verschoben.
Knapp zwei Stunden später saßen die gepanzerten Reiter sturmbereit auf ihren Pferden und die Pfeilwehren, mit nur etwa zwei Dutzend Bogenschützen und einigen Knechten zum Schieben bemannt, setzten sich rumpelnd in Bewegung. Bald würde sich zeigen, wie viel Udos Schlachtplan wert war.
Der Angriff konnte endlich beginnen.
*
Kapitel 21
Die unerwarteten Schwierigkeiten, mit denen der raffgierige Ritter sich auseinandersetzen musste, kamen den arg bedrängten Siedlern sehr zustatten. Milosc, Fürst der nördlichen Moriczer, fand mehr als genug Zeit, um seinen Verteidigungsplan zu verwirklichen. Da ihm der Winkelzug des beutehungrigen Steuereintreibers bekannt war, wusste er seine Leute so einzuteilen, wie es unter den gegebenen
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