Die Ehre der Slawen
überaus kräftiges Gebiss. Paddie und Rapak wurden blass und wichen vorsichtig einige Schritte zurück. Bikus zeigte hingegen überhaupt keine Furcht. Sanft und freundlich auf das Achtung gebietende Tier einredend schritt er langsam auf den riesigen Hund zu, wobei er ihm immer fest in die Augen sah.
Das Knurren wurde lauter, drohender und bedeutete nichts anderes als: Verschwindet, dies ist mein Revier!
Völlig perplex beobachteten Paddie und Rapak das mutige Vorgehen ihres Freundes. Diese Seite ihres kleinen Dickerchens war ihnen völlig neu. Sie wussten zwar, dass Bikus gut mit Tieren umgehen konnte, dass er aber selbst vor einem so großen und fremden Hund keine Angst zeigte, dies mussten sie erst einmal verarbeiten.
Je drohender das Knurren wurde, umso mutiger wurde Bikus. Langsam, aber unaufhaltsam, näherte er sich dem Tier, ohne seine beruhigenden Gesten zu unterbrechen. Der zottelige Hund, der aufgrund seiner Größe es spielend mit einem ausgewachsenen Wolf hätte aufnehmen können, wurde unsicher. Plötzlich zurückweichend neigte er leicht den Kopf etwas zur Seite. Seine als Drohgebärde angelegten Ohren richteten sich lauschend auf und in seinen Augen begann eine Mischung aus Verblüffung und Neugierde zu leuchten. Zwar schleuderte er seinem Widersacher noch immer ein tiefes Knurren entgegen, aber lange nicht mehr so laut und aggressiv wie zum Anfang. Bikus ließ sich nicht beirren und spielte sein Spiel weiter.
Den Mund vor Staunen weit geöffnet sahen Paddie und Rapak, wie der große Rüde schließlich seine Rute einzog, den Kopf demütig senkte und mit einem leisen Winseln seine Unterwürfigkeit bekundete. So eine schnelle Zähmung hatten sie ihr Leben lang noch nicht gesehen. Als Bikus sich dann auch noch gar neben dem Tier in die Hocke ließ und vorsichtig dessen Nacken kraulte, stießen sie einen befreienden Seufzer aus. In Windeseile verflog ihre Angst und neuen Mutes wollten sie auf das ungleiche Pärchen zuschreiten.
Kaum hatten sie sich jedoch in Bewegung gesetzt, als der Hund sich auch schon blitzschnell von Bikus Liebkosungen löste. Schützend stellte er sich vor seinen neuen Freund und bellte die beiden Jungen mit einer Lautstärke an, dass es vom Waldrand nur so widerhallte.
Vor Schreck blieben Paddie und Rapak sofort wieder stehen und auch das Blut wich abermals aus ihren Gesichtern.
Abermals gelang es Bikus, den Hund zu besänftigen, aber näher als vier Schritte ließ er Paddie und Rapak nicht an sich heran. Dabei stellte er sich stets schützend vor seinen neuen Menschenfreund.
Zufällig warf Paddie einen Blick auf den See. Der Fischer hatte seine Arbeit eingestellt und stakste mit einer langen Stange auf das Ufer zu. Offensichtlich hatte er seinen Hund gehört und wollte nun nachsehen, was dort los war.
Befreit atmete Paddie aus. Mithilfe des Mannes ließe sich wohl sehr schnell feststellen, welche Tiere nicht zu seiner Herde gehörten. Und dann ab nach Hause. Endlich wieder eine Nacht in der kuscheligen Schlafecke.
*
Kapitel 12
Einsam und verlassen, seines besten und einzigen Freundes beraubt, stolperte Thietmar durch den unbekannten Wald. Sein Drang nach fremden Ländern und Abenteuern war erloschen. Wie betäubt setzte er ein Bein vor das andere und achtete kaum noch auf seine Umgebung. Manchmal, wenn das nächtliche Röhren der Hörner in seinen Ohren nachklang, liefen ihm ungehemmt Tränen über die Wangen und versuchten das erfahrene Leid fortzuschwemmen. Ein tiefer Schock lähmte seine Gedanken, sodass er nicht mehr in der Lage war, Gutes und Böses voneinander zu unterscheiden. Wer hatte recht gehandelt, wer unrecht? Traf Udo und seine Blutknechte die alleinige Schuld am nächtlichen Blutbad oder waren gar die wilden Wenden dafür verantwortlich? Thietmar fand keine befriedigende Antwort. Aber warum musste sein guter alter Stari von ihm gehen, eine Seele von Mensch, jemand, der niemals einer Fliege etwas zuleide getan hatte? Dabei wollte Thietmar ihm doch nur den einzigen Wunsch erfüllen, den er noch hatte. Gemeinsam wollte er mit Stari seine alte Heimat besuchen, sich mit ihm freuen, wenn er alte Bekannte oder Verwandte wiederfand, mit ihm lachen und scherzen, sich von seiner ausgelassenen Freude einfach anstecken lassen.
Noch nie zuvor hatte Thietmar
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