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Die Ehre der Slawen

Die Ehre der Slawen

Titel: Die Ehre der Slawen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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vielleicht hat er etwas ganz Schlimmes erlebt. Bestimmt hat er auch seit Tagen nichts Richtiges mehr gegessen.«
     Neugierig trat Rapak etwas näher heran. »Hmm …«, musterte er nachdenklich den fremden Jungen, der fast zwei Köpfe kleiner war als er und höchstens sieben oder acht Jahre alt sein mochte. Ein heftiger Blutstrom ergoss sich aus seiner Nase, die irgendwie schief aussah und langsam anzuschwellen begann. Da seine Brust sich aber gleichmäßig hob und senkte, wenn auch etwas schnell, würde er wohl bald wieder auf den Beinen sein.
     »Sieht so aus, als hättest du ihm die Nase gebrochen«, vermutete Rapak.
     »Und nun? Wir können ihn doch nicht einfach hier so liegen lassen.«
     »Du hast recht. Aber bei allen Göttern, uns läuft die Zeit weg.«
     Fast unmerklich schüttelte Paddie verneinend den Kopf, öffnete seine Gürteltasche und begann darin herumzukramen. Triumphierend hielt er gleich darauf ein verstöpseltes kleines Töpfchen und ein langes Leinentuch in der Hand.
     »Da«, hielt er das Gefundene Rapak freudig entgegen, »Biberfett und Verbandszeug! Das trage ich ständig bei mir, seitdem meine Dusa mit dem Adler kämpfte. Ich habe es mir vom Sylnic von Pacelin abgeguckt, als er meine kleine Schwester verband. Und da dachte ich mir: Man kann ja nie wissen.«
     »Mann, Paddie…! Nun aber schnell.«
     Ungeachtet der stacheligen Ranken ließ Rapak sich auf die Knie fallen und begann den immer noch ohnmächtigen Jungen zu verarzten. Kaum hatte er ihm jedoch das Fett auf die inzwischen unförmig angeschwollene Nase gestrichen und mittels des Leinenverbandes halbwegs die Blutung gestillt, stieß Paddie einen leisen Warnruf aus.
     »Achtung, sie kommen!«
     Rapak hielt kurz in seiner Arbeit inne und lauschte. Durch das sanfte Rauschen des Waldes drang ein dumpfes Donnern an seine Ohren. Es war aber nicht das Donnern eines fernen Gewitters, sondern eines, das von Hunderten schwerer Pferdehufen erzeugt wurde. Von großen Rössern, die sich in einem schnellen Galopp durch den Wald bewegten. Genau auf sie zu.
     »Die Götter mögen uns beistehen«, flehte Rapak und beeilte sich noch mehr mit seiner Arbeit. Mit geschickten Fingern riss er das Ende des Verbandes auf und verknotete ihn auf dem Hinterkopf des verletzten Jungen. Egal, wer der fremde Jüngling auch sein mochte und egal, woher er auch kam, die Hilfe eines in Not Geratenen war, neben der Gastfreundschaft, das höchste Gebot der Slawenehre. Das war ein ungeschriebenes Gesetz und niemand aus dem einfachen Volk würde es je zu brechen wagen. In diesem Sinne waren die beiden Freunde erzogen worden und dementsprechend handelten sie auch danach.
     »So, und nun?«, richtete sich Rapak fragend auf. »Wollen wir ihn einfach den Soldaten überlassen?«
     Paddie schüttelte heftig mit dem Kopf: »Nicht, solange wir nicht wissen, wer er ist und warum er allein durch den Wald läuft. Wer weiß, vielleicht ist er ja auch vor den Kriegern auf der Flucht? Wir nehmen ihn mit und verstecken uns.«
     »Dann los!«
     Da Paddie mit seinen gestauchten Fingern nicht gut anfassen konnte, warf Rapak sich den leichtgewichtigen Jungen einfach über die Schulter und rannte los. Ihr Ziel war ein kleiner Hügel, der so dicht mit Gebüschen und Sträuchern bewachsen war, dass ein Pferd dort niemals ohne Weiteres durchgekommen wäre.
     Die Reiterarmee war indes bereits gefährlich nahe gekommen und wer weiß, ob die beiden Freunde es auch ohne den kleinen Zwischenfall noch rechtzeitig bis zur Burg geschafft hätten. Wie dem auch sei, Bikus war jedenfalls noch beizeiten eingetroffen, und so hatten sich hoffentlich die meisten der Siedler in Sicherheit bringen können.
     Von dumpfen Hufschlägen begleitet tauchten in diesem Moment die ersten Reiter zwischen den Bäumen auf. Blanker Stahl reflektierte die späte Nachmittagssonne und bildete ein Meer aus grellem Funkeln. Ohne auf den kleinen Hügel zu achten, auf dem sich die Freunde mit dem fremden Jungen versteckt hielten, galoppierten sie mit ihren großen Pferden vorbei. Erdreich, Grasbüschel und Laub spritzten weit in die Höhe, als die eisenbeschlagenen Hufe den Boden umpflügten. Der narbengesichtige Anführer ritt an der Spitze der Streitmacht und hielt eine lange Lanze mit einem kleinen Fähnchen in der Hand. Ein schwarzes Kreuz auf weißem Untergrund flatterte im Wind. War dies nicht das Zeichen ihres Gottes?
     Immer mehr Reiter erschienen zwischen den Bäumen, und als Paddie und Rapak mit dem

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