Die Ehre der Slawen
vorbei, die sofort ihre Zügel herumrissen und ihm auf dem Fuße folgten.
Wohl oder übel würden sie diese Nacht im Freien verbringen müssen. Aber am morgigen Tag, ja da würde dieses anmaßende Heidenpack büßen müssen.
Voller Vorfreude auf die bevorstehende Rache und in der Hoffnung auf reiche Beute hatte Udo fast seine wartende Armee erreicht, als er in einiger Entfernung leichten Rauch aufsteigen sah.
Die kleine Siedlung »Schönes Feld«! , zog ein Gedankenblitz durch sein Gedächtnis. Fast hatte er vergessen, dass etwas abseits der wehrhaften Wendensiedlung noch ein paar Heiden wohnten. Ein Töpfer, ein Fischer, ein paar Bauern , erinnerte er sich der Worte aus dem kümmerlichen Dorfe »Krummer Baum«. Alles in allem: sechs oder sieben armselige Lehmhütten, aber ohne Befestigungen. Mit nennenswertem Widerstand brauchte er also nicht zu rechnen.
Wohl denn, für ein Nachtlager immer noch besser als unter freiem Himmel zu nächtigen. Schnell waren die entsprechenden Befehle erteilt und gleich darauf setzte sich seine Streitmacht in Bewegung. Die Behausung des Töpfers sollte das Hauptquartier werden und auf der großen Wiese davor konnte gut der Wagentross rasten. Morgen in der Frühe würde er sich dann einen Schlachtplan zurechtlegen und am Abend wollte er den Kopf dieses anmaßenden Barbarenhäuptlings hoch aufgespießt über der brennenden Inselburg sehen. Im Anschluss seines erfolgreichen Kampfes würde er das Beutegut betrachten und seine durstige Kehle ausgiebig mit süßem Wendenmet befeuchten. So sollte es sein!
Was sie wohl auf ihrer Burg für Reichtümer versteckt hielten?
Ein hämisches Grinsen erschien auf Udos Lippen, als er an seine köstliche Rache dachte. Tausend Tode sollte dieses Pack sterben für seine Demütigung. Nichts sollte ihnen mehr bleiben.
Langsam verdunkelte sich der Abendhimmel und ein trügerischer Frieden legte sich über das Land. Nicht mehr lange und ein lautes Kampfgetümmel brächte diesem nordischen Ungeziefer den nötigen Respekt bei.
*
Kapitel 15
Im dichten Unterholz des Waldrandes, einen guten Steinwurf weit vom wartenden Hauptheer entfernt, hatten sich die drei Jungs hinter einem umgestürzten Baumstamm verborgen. Neugierig beobachteten sie das aufregende Geschehen, was sich vor dem geschlossenen Dorftor abspielte. Verstehen konnten sie zwar kein Wort, dafür aber alles sehen.
Paddie und Rapak waren auf das Äußerste um ihre Freunde und Verwandten besorgt, da sie Udos Streitmacht in ihrer wahren Größe gesehen hatten. Sicherlich, die Feisnecksiedlung war einigermaßen wehrhaft, aber konnten ihre Leute dieser gewaltigen Übermacht auch auf Dauer standhalten? Hatte die Zeit noch gereicht, Boten in die umliegenden Dörfer zu entsenden, um Verstärkung herbeizurufen? Über die Antwort konnten die Knaben nur Vermutungen anstellen, denn die winzige Zeitspanne zwischen Bikus Heimkehr und der Krieger Eintreffen war einfach zu knapp gewesen. Um jedoch hierüber Gewissheit zu erlangen, musste es ihnen erst einmal gelingen, irgendwie ins Dorf zu gelangen.
Thietmars Gedanken bewegten sich hingegen in ganz andere Bahnen. Er verabscheute den brutalen Steuereintreiber und seine Gefolgsleute auf das Tiefste. Sicherlich, die fälligen Tribute der Wenden wurden wohl für Gott und Kaiser dringend benötigt, aber mit der Art und Weise, wie die Eintreibung vor sich ging, damit war der kleine Junge überhaupt nicht einverstanden. Bisher hatte er das hochgelobte Rittertum immer für etwas besonders Edles und Ehrbares gehalten. Etwas, was im Lande für eine allumfassende Ordnung und Gerechtigkeit sorgte. Er brauchte nur an die verträumten Bardenlieder denken, die vom Mut und der Großzügigkeit edler Recken erzählten. Aber was lehrte ihn hingegen die harte Wirklichkeit? Morden, rauben, unsägliches Leid und Blut in Strömen, so sah es aus. Das Bild, was sich Thietmar vom abenteuerlichen Wendenland gemalt hatte, in dem sich deutsche Edle und wendische Fürsten am abendlichen Lagerfeuer Freundschaften austauschten, das zerbrach in immer kleinere Stücke. Ob seine Eltern und auch sein geliebter Oheim wohl wussten, was hier tatsächlich geschah? Wehmütig dachte er an sein weiches Bett daheim und den gut geordneten Tagesablauf, als ihn ein heftiges Stechen in der Nase aus seinen Träumen riss. Oh verflucht, es brannte wieder wie Feuer in seinem Gesicht und trieb ihm erneut die Tränen des Schmerzes und der Verzweiflung in die Augen.
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