Die Ehre des Ritters (German Edition)
– nein. Er war der Grund ihrer Furcht und Verachtung. Als er sich dessen bewusst wurde, stieg ein seltsames Gefühl in ihm auf. Rasch unterdrückte er es und sagte sich, es könne ihm gleich sein, was sie von ihm hielt. Sie war für ihn lediglich ein Mittel zum Zweck, ein Weg zu einem Geldsegen, der das Fundament seiner Zukunft bildete.
»Ich bringe Euch hier raus«, sagte er ernst und ging zu ihr an die Tür. »Es sei denn, Ihr zieht es vor, Euch mit Dom auseinanderzusetzen. Falls nicht, werdet Ihr genau das tun, was ich Euch sage – ohne Widerrede. Verstanden?«
Die Tatsache, dass sie ihm nicht rundheraus widersprach, war ihm Einwilligung genug. Griff ergriff ihre Hand und öffnete die Tür einen Spaltbreit. Er lugte hinaus, um sich zu vergewissern, dass niemand im Gang war, dann trat er, Isabel nach sich ziehend, über die Schwelle.
Es war schon spät, die Treppe und die labyrinthartigen Gänge des Turms lagen verlassen. Die meisten Bewohner hatten schon vor Stunden ihre Bettstatt aufgesucht. Trotz der vermeintlichen Sicherheit ließ sich Griffin keine Zeit. Vielmehr beschleunigte er seine Schritte, um die günstigen Umstände zu nutzen. Rasch führte er Isabel ins Erdgeschoss des Wohnturms hinunter und an der großen Halle vorbei, in der sich ein Meer von Menschen befand. Die Tischbretter und Böcke, die sich tagsüber in der Halle aneinanderreihten, hatte man entlang der Wände gestapelt, um auf dem Boden Platz für die dünnen Strohmatratzen zu schaffen, auf denen jede Nacht ein Großteil der Burgsoldaten und Dutzende von Dienern schliefen.
Einige dieser Menschen regten sich im Schlaf, andere vergnügten sich trotz aller Öffentlichkeit miteinander. Griff eilte an dem breiten Bogeneingang vorbei, doch Isabel blieb stehen und lugte neugierig in den Saal. Ein entsetztes Keuchen entfuhr ihr, als sie die sich vermischenden wonnevollen Laute vernahm, ehe Griff sie ungeduldig weiterzog. Fast schon hatten sie die Tür des Wohnturms erreicht, da hörte er sich nähernde Schritte. Hastig packte er Isabel bei den Schultern und schob sie in eine dunkle Nische.
Dann küsste er sie.
Es war ein inniger Kuss, bei dem er seinen Körper fest an den ihren presste, eine Maßnahme, die hauptsächlich dazu dienen sollte, sie beide vor ungebetenen Blicken zu verbergen. Sobald sich ihre Lippen berührten, durchzuckte ihn gleichwohl völlig unerwartet ein Schauer der Lust. Isabel erging es offenbar ebenso. Ihr erstaunter Protestschrei wich einem leisen kehligen Stöhnen, und ihre Hände auf seiner Brust, die ihn eben noch hatten fortstoßen wollen, krallten sich nun in den Stoff seiner Tunika.
Sie war liebreizend und voller unerforschter Leidenschaft, eine berauschende Mischung, die in ihm unverzüglich eine stürmische Begierde weckte. Er zog sie enger in seine Arme, vertiefte den Kuss, verlor sich in der sinnlichen Wonne des Augenblicks.
Über das fieberhafte Schlagen seines hämmernden Herzens hinweg hörte er die sich nähernden Schritte, hörte, wie jemand um die Ecke des Ganges herum kam und abrupt stehen blieb.
»Sir Griffin?«, rief eine weibliche Stimme. »Himmel, was macht Ihr denn so spät noch hier unten?«
Mit größerem Widerstreben, als er sich eingestehen wollte, beendete Griff den Kuss. Zunächst sagte er nichts, wandte sich nicht einmal um, denn seine Sinne waren viel zu verwirrt, um irgendeine Antwort zu geben. Unverwandt blickte er Isabel an. Obwohl jede Faser, jeder Muskel in seinem Körper vor Erregung zu vibrieren schien, war es ihm ein Rätsel, was soeben zwischen ihnen geschehen war. Er musste sich selbst einen Ruck geben, damit es ihm gelang, seine Umgebung wieder wahrzunehmen und genug Verstand aufzubringen, um die gegenwärtige Situation zu meistern.
Diese »gegenwärtige Situation« kam nun in Gestalt einer Dienstmagd auf ihn zu, die neugierig über seine Schulter zu blicken versuchte. »Wen habt ihr denn da – etwa Tess aus der Küche?« Sie lachte anzüglich. »Vielleicht fändet Ihr mehr Gefallen daran, Euch mit uns beiden zu vergnügen.«
»Geh ins Bett, Meg«, befahl Griff grimmig. Seine Stimme war rau und belegt vor Erregung, sein vor Verlangen hungriger Blick unverwandt auf Isabel gerichtet. Den Kopf hielt er gebeugt, um Isabel vor Megs neugierigen Augen zu schützen.
Ein enttäuschtes Schnauben ausstoßend, gehorchte die Dienstmagd. Griff lauschte ihren Schritten nach, hörte, wie sie durch den Korridor zur großen Halle ging. Er wartete, bis er sich sicher sein konnte, dass sie
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