Die Ehre des Ritters (German Edition)
Züge seines Gesichts, in dem sich Sorge und ein anderes, nicht zu deutendes Gefühl spiegelten, und war nur um ein weniges davon entfernt, Griffin einzugestehen, was ihr durch den Kopf gegangen war – was sie im Herzen gespürt hatte –, als sie den tödlichen Pfeil auf ihn zufliegen sah …
Sie liebte ihn.
Das Bekenntnis lag ihr auf der Zunge, doch es hätte sie ebenso ins Verderben gestürzt, wie es ihre Seele befreit hätte. Lieber Himmel, sie liebte ihn.
Vielleicht hatte sie ihn schon immer geliebt, seit ihrer ersten Begegnung vor zehn Jahren. Nein, damals hatte sie ihn lediglich bewundert, wurde ihr unvermittelt klar. Damals war es die Schwärmerei eines Mädchens für einen Helden gewesen, ein Idol, das vollkommen und unerreichbar war. Die Liebe aber, die sie nun verspürte, galt dem Mann an ihrer Seite – diesem ruppigen, nicht makellosen Menschen, der entschlossen schien, sie nicht in sein Herz zu lassen. Diesem Mann, der nie der ihre würde sein können, selbst wenn er sie wie durch ein Wunder plötzlich an seiner Seite wissen wollte.
Isabel biss sich auf die Lippen, um zu verhindern, dass die Worte aus ihr herausbrachen, die sie sich sehnte ihm zu sagen. Mit einer Mischung aus Bedauern und Erleichterung bemerkte sie, dass er sich erhob und etwas mehr Abstand zwischen sie brachte.
»Da du jetzt wach bist«, sagte er, »werde ich ein Feuer machen und mir deinen Arm noch einmal ansehen. Ich habe dir Essen und Wein mitgebracht. Du solltest etwas zu dir nehmen. Der Wein wird dich wärmen.«
Er half ihr, sich aufzurichten, und ließ sie anschließend mit dem Proviant allein, den er zuvor für sie ausgepackt hatte. Während er einige verstreute, trockene Äste vom Höhlenboden aufsammelte, nahm Isabel einen Bissen von dem Wildbret und spülte ihn mit würzigem Rotwein hinunter. Griffin hatte inzwischen das Brennholz aufgeschichtet und nach nur sechs Schlägen mit dem Feuerstein das trockene Holz entzündet. Gleich darauf brannte ein bescheidenes Feuer in der Mitte ihrer steinernen Zuflucht.
Isabel sah die Flammen zum Leben erwachen und schaute in stiller Faszination zu, wie sie über Griffins Gesicht tanzten, seine wilde, strohblonde Mähne beleuchteten und seine attraktiven Züge in einen warmen, goldenen Schimmer tauchten. Er fand noch ein morsches altes Holzscheit, das er ebenfalls ins Feuer warf, ehe er den Kopf in den Nacken legte und zusah, wie sich die Rauchfahne spiralförmig zur Decke emporwand und in einem Windhauch, der von dem schmalen Eingang herüberkam, verwehte. Die leichte, kühle Brise wirbelte das rußige Ascheband auf und trug es in die Nacht hinaus.
»Wie lange, meinst du, sollten wir hierbleiben?«, fragte Isabel über das leise Knacken und Knistern des kleinen Feuers hinweg.
Er zog die Schultern hoch und sah sie nachdenklich an. »Bis du wohlauf genug für die Weiterreise bist. Ein paar Tage, vielleicht länger.«
Sie konnte die verhaltenen Bedenken in seinen Zügen erkennen, konnte spüren, dass er sich sorgte, weil ihre Verletzung ihr Vorankommen behinderte und sie angreifbarer machte. »Aber wir können uns nicht aufhalten, das ist viel zu gefährlich«, erklärte sie und versuchte, sich aufzusetzen. »Wir müssen weiterreiten. Zwar bin ich verletzt, aber ich versichere dir, ich bin wohlauf genug, um die Reise fortzusetzen.«
Kaum hatte sie sich mit der Hand auf dem Boden abgestützt, um in eine bequemere Position zu wechseln, durchzuckte sie der Schmerz wie ein Dolch. Durch zusammengebissene Zähne atmete sie ein und ließ sich gegen die Höhlenwand sinken. Schweißperlen netzten ihre Stirn und tropften an den feinen Haaren an ihrer Schläfe herunter.
Einen Herzschlag später war Griffin vom Feuer aufgesprungen und an ihrer Seite. »Wohlauf genug, um zu reisen, soso.« Er schüttelte den Kopf und blickte sie eindeutig verärgert an. »Ich sag dir, wann du wohlauf genug bist, um die Reise fortzusetzen. Lass mich deinen Arm sehen.«
Zwar war sein Ton barsch, seine Hände hingegen waren sanft. Ein starker Kämpfer, und dennoch ist seine Berührung so sacht, wunderte sich Isabel, während seine kräftigen Finger ihren Arm hielten und er ihre Wunde mit großer Behutsamkeit untersuchte. Es verblüffte sie, dass ein Mann, der so erfahren im Umgang mit Gewalt und so kampferprobt war, so unerwartet zärtlich sein konnte. Doch in Griffin of Droghallow, diesem Mann mit dem Gesicht eines gefallenen Engels und dem Lächeln eines Teufels, vereinten sich unzählige Gegensätze. Einst
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