Die Ehre des Ritters (German Edition)
war er ihr Held, dann ihr Feind. Ihr angeheuerter Entführer, habgierige Eskorte und nun ihr …
Ja, was?
Er war ganz sicher ihr Beschützer, doch dieses einfache Wort beschrieb nicht einmal ansatzweise eine Beziehung, die längst nicht mehr so einfach war. Die Gefühle, die sie für ihn hegte, waren kompliziert und verworrener als alles, was sie je zuvor gefühlt hatte. Sie liebte ihn, ganz ohne Frage, doch ihre Empfindungen für ihn gingen viel tiefer. Es war, als seien sie seelenverwandt, als sei sie ihm mit Leib und Seele verbunden.
Nur eines ließ sich in dem Durcheinander ihres gegenwärtigen Lebens ganz einfach erkennen, eine schlichte Tatsache, die zu leugnen töricht wäre: Was auch immer sie und Griffin auf dieser Reise teilten – was auch immer sie verband –, würde enden, sobald sie Montborne erreichten.
Diese ernüchternde Erkenntnis hielt sie nun davon ab, die Hand nach ihm auszustrecken, obwohl sie sich unsäglich danach sehnte, seine markanten, edlen Züge an ihrer Handfläche zu spüren und seine bartstoppeligen Wangen zu liebkosen. Sie wusste indes, dass der Schmerz in ihrem Herzen nur größer werden würde, je mehr Nähe sie zuließ, und einzig diese Erkenntnis hielt sie davon ab, ihm zu sagen, wie verwirrt sie war, welch große Angst sie verspürte.
Wie verzweifelt sie sich wünschte, von ihm in den Armen gehalten zu werden, nur gehalten zu werden.
Unwillkürlich überlief sie ein Schauer, und Griffin suchte ihren Blick. »Ich tue dir weh.«
Isabel schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Hier«, er hielt den Weinschlauch an ihre Lippen, »trink, so viel du kannst. Es wird den Schmerz lindern.«
»So unerträglich ist es nicht«, beharrte sie, nachdem sie einen Schluck von dem Wein genommen hatte. »Wirklich, Griffin. Es schmerzt nicht allzu sehr.«
»Vielleicht jetzt noch nicht, aber ich muss die Wunde reinigen. Ich werde so behutsam wie möglich vorgehen, aber je benommener deine Sinne sind, desto besser.« Er drückte ihr die Öffnung des Schlauches an den Mund. »Trinkt, Mylady.«
Sie sah den ernsten Ausdruck in seinen Augen und erkannte, dass er besser über solche Dinge Bescheid wusste als sie, also fügte sie sich. Sie nahm den Schlauch zwischen die Lippen und trank so lange, bis es ihr schien, als habe sie ihn halb leer getrunken. Brennend lief ihr der Wein die Kehle hinunter, nach einigen weiteren großen Schlucken aber ließ das Brennen nach, und sie verspürte eine Hitze, die sie von innen her wärmte. Seufzend gab sie Griffin den Schlauch zurück.
»Mir ist irgendwie ganz kribbelig.«
Er schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln. »Das ist ein guter Anfang. Versuch, dich auszuruhen, während ich ein paar frische Bandagen vorbereite.«
Er nahm ein schneeweißes Stück Seide von dem Haufen, der neben ihrem behelfsmäßigen Bett lag, zückte seinen Dolch und schnitt den Stoff in zwei breite Bänder. In einem glitzerten Goldfäden; die Stickerei glänzte im Feuerschein. Es war das Kleid, das sie auf Pater Aldons Anweisung hin an diesem Morgen getragen hatte, erkannte sie, und plötzlich wurde ihr ganz deutlich bewusst, wie sehr sie der Wollmantel auf der bloßen Haut kratzte.
»Es tut mir leid um dein Kleid«, sagte Griffin, als er wieder an ihrer Seite war. »Ich habe nicht … ich fürchte, mir blieb keine andere Wahl.«
»Das macht nichts«, sagte Isabel. Ihre Nacktheit machte sie verlegen, doch sie vertraute ihm blind. »Vielleicht haben wir ja Glück und treffen irgendwo vor Montborne auf eine Schankwirtin, die einen alten Kittel für mich übrig hat.«
Griffin lachte über ihren Scherz, seine Miene hingegen blieb ernst. »Du wirst nie wieder alte Kittel tragen. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit kaufe ich dir das schönste Kleid von ganz England. Du wirst bei deiner Ankunft in Montborne wie eine Königin aussehen.«
Isabel lächelte sehnsüchtig, halb hoffend, dass dieser Tag nie kommen würde.
»Lehn dich zurück«, wies Griffin an, nahm ihre Hand und streckte ihren Arm aus, um ihn zu versorgen. »Ich werde den alten Verband abnehmen und anschließend die Wunde mit dem Wein reinigen. Du sagst mir, wenn der Schmerz zu groß wird?«
»Ja. Ich begebe mich vertrauensvoll in Ihre Hände, Mylord.«
Sie hatte nicht damit gerechnet, dass das Abnehmen des Verbandes derart schmerzhaft sein würde. Obwohl Griffin darauf achtete, behutsam vorzugehen, hatte Isabel das Gefühl, ihr Arm stünde in Flammen, als er schließlich die letzte Schicht der Bandage löste. Sie vergrub
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