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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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vor den Kunsthändlern erkannt hatte.
    »Die Leberknödelsuppe ist weltberühmt«, sagte Koretzky, »Sie sollten sie nicht auslassen.«
    Das wußte ich ohnedies. Im übrigen war ich auf ganz andere Neuigkeiten scharf.
    »Ich bin Dr. Müllner«, sagte ich zu dem Ober. »Ich erwarte ein Ferngespräch.«
    »Wird erledigt, mein Herr. Ich sage unserer Telefonistin Bescheid.«
    »Wie kommt es«, fragte ich, »daß wir von Ihrer Firma noch nichts gehört haben?«
    »Wir haben seit Jahren in aller Stille gearbeitet«, antwortete Koretzky, »und möchten nunmehr groß herauskommen. Ich nehme an, daß Sie nicht hier wären, wenn der Buchstabe A Sie nicht von unserer Leistungskraft überzeugt hätte.«
    »Richtig«, bestätigte ich. »Und wie Sie sehen, sind wir nicht kleinlich, aber nur dann an einer Verbindung interessiert, wenn Sie künftig ausschließlich für uns arbeiten.«
    Wir aßen heißen Schinken vom Wagen. Dann empfahl mir mein Gastgeber und Gegenspieler Orangensalat mit Walderdbeeren und Krokant als weitere Spezialität des Hauses. Er selbst wickelte Pralines aus.
    »Ich kann sie Ihnen leider nicht anbieten: eine Spezialanfertigung für Diabetiker.«
    Ich mußte mich zusammennehmen, um keine Reaktion zu zeigen. Vermutlich hatte ihn die eigene Krankheit auf die Idee gebracht, sie als Waffe gegen einen anderen Patienten einzusetzen: Ein Typ wie er vermarktete noch das eigene Gebrechen!
    Wir sprachen über Geld. Ich war nicht kleinlich. Auf eine Million mehr oder weniger kam es mir nicht an, zumal weder ich noch das Versandhaus Lerche, noch die Firma Letters & Son Ltd. sie bezahlen würden.
    Koretzky wurde ganz aufgeregt. Die Gier war seine schwache Seite – sie machte ihn hungrig wie einen Hund die Wurst.
    Der Ober wedelte lautlos an den Tisch. »Herr Dr. Müllner«, sagte er, »bitte ans Telefon.«
    Ich verließ das Restaurant.
    »Nach oben, bitte«, sagte der Geschäftsführer.
    Ich stieg die Treppe hoch; hier erwartete mich Kommissar Hürlimann.
    »Ein übler Kerl«, bestätigte er, »naturalisierter Ungar. Zweifelhafte Herkunft. Wir schauen ihm schon lange auf die Finger.«
    »Um so besser«, antwortete ich. »Wenn Sie jetzt sein Telefon anzapfen, können Sie sich künftige Ermittlungen sparen.«
    Der Kommissar machte ein bedenkliches Gesicht.
    »Ich lege jetzt den Köder aus. Wie ich ihn einschätze, wird er seine Komplicen sofort anläuten.«
    Ich ging zurück.
    »Ich habe zwar absolute Vollmacht«, sagte ich zu dem dubiosen Herrn Koretzky, »aber für solche Summen wollte ich mir doch noch Rückendeckung beim Chef holen.«
    »Und?«
    »Alles in Ordnung«, antwortete ich. »Der Scheck geht heute noch ab.«
    »Und was kann ich Ihnen als nächstes anbieten?«
    »Interessenten für Fertighäuser«, entgegnete ich. »Wir wollen demnächst groß damit herauskommen. Das ist wohl ein besseres Geschäft als Video-Amateure.«
    »Geben Sie mir drei Tage Zeit«, erwiderte der Sitzriese und bedankte sich artig, daß ich auf seine Kosten mit ihm getafelt hatte. »Ich gehe jetzt ins Büro und entwerfe den Vertrag«, verabschiedete er sich. »Darf ich Ihnen zumuten, meinen Anruf im Hotel zu erwarten?«
    Von nun an überschlugen sich die Ereignisse. Koretzky stand unter Termindruck. Er mußte seine Komplicen antreiben. Er handelte unvorsichtig, und das hieß: telefonisch.
    Ich ging unruhig in meinem Hotelzimmer hin und her. Es war ein Unterschied, an einer Aktion teilzunehmen oder ihr Ergebnis nur abzuwarten. Jetzt mußte Koretzkys Order bereits auf Tonband mitgeschnitten sein: Fertighäuser. Jetzt müßte die Polizei erfahren, wo sich die Teilnehmer am anderen Ende des Drahtes aufhielten.
    Alles war klar; es konnte eigentlich nichts schief laufen. Und Vonwalls Leute verstanden etwas von ihrem Fach. Nach Koretzkys telefonischem Selbstverrat mußte die Spur zum Versteck des alten Letters führen; wie man es ausnahm, ohne das entführte Opfer zu gefährden, wußten die Spezialisten genau.
    Ich lief in meinem kleinen Hotelzimmer auf und ab, stieß mich an den Wänden wie eine Hummel im Glas. Ich sah, wie Experten der Kriminalpolizei in schusssicheren Anzügen den Schlupfwinkel umstellten und gleichzeitig von allen Seiten in das Haus eindrangen, die Kidnapper überwältigten und den Entführten unversehrt befreiten.
    Ich sah die Szene immer wieder vor mir.
    Nur rührte sich nichts.
    Das Telefon blieb still wie ein Grab.
    Ich überlegte ergebnislos, ob die Täter dem Adressen-König die lebenswichtigen Injektionen wohl entzogen

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