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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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pietätvollen Unternehmens um die Hälfte zurückgegangen war, obwohl das Standesamt von Perpignan nach wie vor pro Monat 120 Todesfälle registrieren mußte.
    Die Stewardess beendete makaber-frivole Vorstellungen. »Fasten seat belt, please«, sagte sie und kontrollierte unauffällig, ob ihre Passagiere die Gurte für die Landung angelegt hatten. Minuten später landete die 747, rollte aus. Ich stellte meine Armbanduhr auf mitteleuropäische Zeit um und stellte fest, daß ich 20 Minuten Zeit zum Umsteigen hatte.
    Schon auf der Bodentreppe wurde ich abgefangen: »Mister Fabian!« rief eine PANAM-Bedienstete. »Ich habe eine Message für Sie.«
    Eine Nachricht war natürlich eine schlechte Nachricht, und das bedeutete, daß die erwarteten Badefreuden baden gehen würden. Ich sträubte mich dagegen, aber als ich sah, daß die Nachricht von Georg Westhoff stammte, dem ersten Mann der Frankfurter SIRIUS-Werke – er mußte in New York hinter mir hertelefoniert haben –, wußte ich, daß es keine Ausrede gab.
    Der Tycoon hatte mir seinen Fahrer zum Flughafen geschickt.
    Der Konzern wurde weltweit auf der Liste der hundert mächtigsten Industrie-Giganten geführt. Der Chef von 60.000 Arbeitnehmern – allein in Deutschland – galt rund um den Globus als Spitzenmanager, eine Doppelbegabung sowohl als Ingenieur wie als Kaufmann.
    »Guten Flug gehabt?« fragte der Fahrer. »Entschuldigen Sie, daß ich Sie einfach aus dem Flugzeug geholt …«
    »Ist doch nicht Ihre Schuld«, antwortete ich.
    Er lächelte und fuhr zügig durch die Main-Metropole, die kaum mehr von einer amerikanischen Stadt zu unterscheiden war. Die Bankpaläste standen dicht beieinander und reckten ihre Stockwerke mächtig nach oben, als beherrschten sie die Bewohner, von deren Geld sie lebten.
    Wir fuhren Richtung Taunus und erreichten Minuten später das Verwaltungsgebäude.
    Georg Westhoff empfing mich in seinem Arbeitszimmer, das so groß war wie eine Turnhalle, und der Vorsitzende des Vorstands zwang sich hier auch meistens aufs Hochreck. Ein merkwürdiger Mann, der bei einem Monatseinkommen von weit über 100.000 Mark brutto nur Anzüge von der Stange, Hemden aus dem Schlussverkauf und Krawatten von Anno Tobak trug. Als Ausgleich dieser Verschwendung an Sparsamkeit leistete sich Westhoff eine Baronin als Vorzimmerdame.
    »Freut mich, Sie zu sehen«, begrüßte er mich flüchtig.
    »Ganz meinerseits«, erwiderte ich. »Auch wenn ich gerade in Urlaub bin.«
    »Unsinn«, knurrte der Vorstandsvorsitzende. »Wie oft haben Sie ihn schon verschoben, Fabian?«
    »Viermal.«
    »Dann kommt's auf einmal mehr auch nicht mehr an«, erwiderte er mit einer Logik, die mir sattsam bekannt war. »Na ja«, lenkte er ein, »ich bin ein richtiger Ausbeuter.«
    Westhoff legte mich nicht herein, ich wußte, daß Männer wie er – entgegen weitläufigen Vorurteilen – in erster Linie von ihrem Erfolg ausgebeutet werden. »Kennen Sie Dr. Meissenbach?« fragte er unvermittelt.
    »Ihren Entwicklungschef?«
    »Meinen Entwicklungschef«, antwortete er gereizt. »Außerdem ist der Mann noch Vorstandsmitglied, Sonderling, Witwer und Mitinhaber von mindestens fünf firmeneigenen Patenten.«
    »Gratuliere«, sagte ich.
    Westhoff stand auf; es schien als wüchse er, breitschultrig und vierschrötig, bis zur Decke. Er stapfte zur Tür, riß sie auf. »Ich möchte von niemandem gestört werden«, sagte er. »Und stellen Sie auch keinen Anruf durch.« Er wandte sich wieder an mich. »Gibt es eine Erklärung dafür, daß sich ein erstklassiger Mann für eine – eine drittklassige Stellung bewirbt?«
    »Es gibt für alles eine Erklärung«, erwiderte ich. »Man muß sie nur finden.«
    Der Hausherr ging an den Tresor und entnahm ihm ein Bewerbungsschreiben. Wie alle großen Konzerne war auch SIRIUS ständig auf der Suche nach brauchbarem Nachwuchs und bot regelmäßig in führenden Wirtschaftszeitungen offene Stellen an. Die Angebote erfolgten unter Chiffre, so daß der Bewerber nicht wußte, an wen er sich wandte. Gesucht wurden junge Ingenieure mit abgeschlossenem Hochschulstudium, dynamische Persönlichkeiten für ausbaufähige Dauerstellungen  wie es so schön heißt.
    Erfahrungsgemäß meldeten sich meistens die Falschen.
    Aber unter der Spreu war diesesmal ein Weizenkorn, das dem SIRIUS-Hausherrn schwer im Magen lag: Dr. August Meissenbach.
    Seit zwanzig Jahren beim Konzern, seit fünf Jahren alleinverantwortlicher Entwicklungschef, und das bei einem elektronischen

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