Die ehrenwerten Diebe
ausmachen, morgen nach Zürich zu fliegen?« fragte er.
»Wieso nach Zürich?« entgegnete ich gespielt begriffsstutzig.
»Mein Mandant hat dort seinen Firmensitz«, erläuterte der Anwalt.
»Schweizer Firma?« fragte ich.
»Gewissermaßen«, wich der Anwalt aus.
»Ich glaube bestimmt, daß wir zusammenkommen«, begann ich scheinheilig, »aber Sie müssen verstehen: Ich kann die Katze nicht im Sack kaufen.«
»Was heißt das?« fragte er mich. »Ich kann doch das Material nicht gratis übergeben, daß ich Ihnen verkaufen soll.«
»Das nicht«, erwiderte ich. »Aber ich kann auf eine kleine Stichprobe nicht verzichten.«
»Stichprobe?« entgegnete er. »Wie stellen Sie sich das vor, Dr. Müllner?«
»Sie übergeben mir einen winzigen Bruchteil. Ich zahle als Option eine Summe, die Sie in jedem Fall behalten, ob das Geschäft nun zustande kommt oder nicht.«
»Aber das verzögert die Geschichte doch endlos.«
»Keineswegs«, versicherte ich. »Wir sind Fachleute. Ein Blick genügt, um die Echtheit festzustellen, an der ich übrigens nicht zweifle.«
Die Forderung war nicht neu für ihn. Ich hatte dafür gesorgt, daß meine angeblichen Konkurrenten, die schon vor mir ihre Aufwartung hier gemacht hatten, mit ihren Forderungen bei der Überprüfung viel weiter gegangen waren.
»Sagen wir – ein Buchstabe würde mir genügen«, lockte ich.
»Welcher?«
»Egal«, erwiderte ich. »Fangen wir mit dem Alphabet an, also: A.«
Er vertröstete mich auf den nächsten Tag. Dann ging alles glatt. Wir machten einen Vorvertrag. Ich deponierte 50.000 Mark Anzahlung, erhielt einen Auszug aus der Liste, ging sie im Hotel durch und wußte nach einer Viertelstunde bereits – durch die eingeschmuggelten Namen –, daß ich mit den richtigen Leuten verhandelte.
Ich läutete Rechtsanwalt Winkelmann an, der hinterher ziemlich unglaubhaft – wenn auch unwiderlegbar – behauptete, von der Entführung nichts gewußt zu haben, und erklärte, daß meine Bedenken nun zurückgestellt seien.
»Dann wird es Zeit, Ihren Vertragspartner kennen zu lernen«, sagte er aufgeräumt. »Wann können Sie reisen?«
»Sofort.«
»Gut«, erwiderte er. »Wir mieten Ihnen ein Apartment im Baur au Lac. Mein Mandant kommt direkt auf Sie zu.«
Das war ein Wort – wenn auch noch nicht der Name des Drahtziehers – und Zürich eine Stadt, in die ich mich bei jedem Besuch aufs neue verliebte. Hier residierte auch Kommissar Hürlimann, ein mir aus einem anderen Fall gut bekannter Kriminalbeamter, der, wenn es hart auf hart ging, auf jede schweizerische Betulichkeit verzichten konnte.
Ich landete kurz nach elf Uhr auf dem Flugplatz Kloten, fuhr mit dem Taxi zum Hotel Baur au lac. Ich war zum ersten Mal Gast in diesem Haus, weil ich bei meinen anderen Besuchen immer im Storchen abgestiegen war.
Gleich nach meiner Ankunft überreichte mir der Portier die Mitteilung, daß ich von der Firma Limmat-All-Address gegen 13 Uhr im Restaurant Kronenhalle erwartet würde.
Es war nicht weit. Ich ging zu Fuß. Unterwegs machte ich an einer Telefonzelle halt, um die bereits vorgewarnte Züricher Kripo von meinem Rendezvous zu verständigen. Durch meinen Besuch bei Pit Vonwall im Wiesbadener Bundeskriminalamt war die Polizei automatisch eingeschaltet worden und der Fall seitdem mächtig und heimlich ins Rollen gekommen. Die Fahndung nach dem ›flotten Emil‹ und seinem mit ihm ausgebrochenen Komplicen Obermaier lief auf vollen Touren.
Es war anzunehmen, daß sich die Verbrecher hier aufhielten, denn Entführer pflegen mit ihren Opfern nicht allzu weit zu reisen.
Interpol war voralarmiert. Wenn es soweit war, würde die Polizei mit beiden Händen zugreifen.
»Tisch drei, mein Herr«, sagte der Ober und geleitete mich.
»Koretzky«, stellte sich mein Gesprächspartner vor, stand höflich auf, und dabei wurde aus einem Sitzriesen ein Stehzwerg. Sein wuchtiger Kopf saß fast halslos auf einem vierschrötigen Rumpf. Er sah gesund aus wie ein Mann, der viel in frischer Luft ist und mit seinen Pfunden wuchert. »Freue mich außerordentlich, Sie kennen zu lernen, Herr Dr. Müllner.« Er sprach eine Spur zu laut. Ich konnte nur hoffen, daß unter den Gästen des beliebten Treffpunktes sich nicht ein Bekannter aufhielt, der mich als Mike Fabian kannte.
Das Restaurant war erste Klasse. Es bot nicht nur Genüsse für Zunge und Gaumen, sondern auch für die Augen: An den Wänden hingen die Werke berühmter Maler, deren Wert der bekannte Gastronom meistens schon
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