Die ehrenwerten Diebe
Draist, meine Assistentin. Sie ist über alles im Bilde und hat Ihr Flugticket bereits in der Tasche.«
»Außerdem habe ich Ihnen vorsorglich ein Apartment im Intercontinental reservieren lassen«, sagte sie. »Wenn Sie wollen, bringe ich Sie der Einfachheit halber gleich hin.«
Natürlich wollte ich.
»Dann wäre ja alles klar«, sagte Westhoff. »Sie haben jede Vollmacht von mir, Herr Fabian.«
Sie ging an meiner Seite, adrett, sicher, perfekt zurechtgemacht wie ein Fotomodell, voller Weiblichkeit, doch emanzipiert bis in die Fingerspitzen. Viel Verstand, keine Frage. Als ich so neben ihr über den Gang ging, voll Bewunderung, die sich selbständig machen wollte, spürte ich: von Gleichberechtigung keine Rede. Ich war ihr, so ich in Adams ausgetretene Spuren stieg, hoffnungslos unterlegen.
»Wie lange sind Sie schon für Westhoff tätig?« fragte ich betont sachlich.
»Fünf Jahre«, antwortete Cora.
Wir hielten vor dem Lift, stiegen ein; wir blieben allein.
»Und wie stehen Sie zu Dr. Meissenbach?«
»Besser als gar nicht«, entgegnete sie. »Ziemlich indifferent.«
»Und was halten Sie von ihm?«
»Viel«, versetzte sie einsilbig.
»Das ist mir zu wenig«, erwiderte ich.
»Ich zweifle nicht an seiner Lauterkeit«, sagte sie. »Auch wenn der Schein dagegen spricht.« Wir waren im Parterre angelangt. »Dr. Meissenbach stammt aus Magdeburg, hat in Leipzig studiert und dort auch seinen Doktor gebaut. Später ist er über die damals Grüne Grenze schwarz in den Westen gekommen und hat sich mit Erfolg bei SIRIUS beworben, zu seinem und der Firma Nutzen.«
»Und privat?« fragte ich.
»Vor zwei Jahren hat der Chefkonstrukteur seine Frau verloren«, erläuterte meine Mentorin. »Keine Kinder. Keine Verwandten. Zumindest keine in der Bundesrepublik.«
»Auch keine Passionen?«
»Ach, du lieber Gott«, erwiderte die blonde Soziologin lachend. »Er verdient weit mehr Geld, als er ausgeben könnte. Er raucht nicht, trinkt nicht, meidet Nachtbars und würde Spielhöhlen höchstens aus Romanen kennen, so er solche läse.«
Wir gingen zum Parkplatz weiter. Auf einmal schoß ein schlanker schwarzhaariger Mann auf uns zu. Er sah blendend aus. Viel zu gut für einen Mann, wenigstens nach meinem Geschmack, der natürlich falsch sein konnte. Die Natur schien ihn als Verführer-Typ gezüchtet zu haben wie einen Windhund fürs Rennen.
»Peter Grasser«, stellte ihn meine Begleiterin vor. »Ingenieur und Assistent Dr. Meissenbachs.«
»Und einer von Coras eifrigsten und erfolglosesten Verehrern«, setzte er ergeben hinzu und reichte mir die Hand.
»Haben Sie mir etwa aufgelauert?« fragte ihn Cora.
»Was sonst?« erwiderte er.
»Wozu?« fragte sie.
»Heutzutage erfolgen Eroberungen nicht mehr durch Gewalt«, ging der Entwicklungs-Ingenieur auf ihren Ton ein, »sondern durch Geduld.«
»Sie müssen viel freie Zeit haben«, entgegnete Cora und schloß ihren Wagen auf.
»Kunststück«, versetzte Peter Grasser. »Ich hab' ja einen fleißigen Chef.« Er hielt ihr den Wagenschlag auf. Cora beachtete es nicht.
»Gehen wir heute Abend aus?« raunte er ihr zu, als stünde ich nicht daneben.
»Heute Abend?« erwiderte sie und öffnete die rechte Tür, »hüpfen wir in die Betten.« Ich stieg zu; im Anfahren winkte sie lässig. »Und zwar jeder in sein eigenes«, setzte sie hinzu. »Wie immer.«
Ich hatte das Gefühl, daß Cora, ihren lästigen Verehrer abwimmelnd, mich erobert hatte, und begann mich auf New York zu freuen.
Heraus aus dem Jet, hinein in den Jet. So langsam wurde der Atlantik der Anmarschweg zu meinem Arbeitsplatz und ich zum Pendler zwischen den Kontinenten. Wir trafen uns eine halbe Stunde vor dem Start auf dem Rhein-Main-Flughafen. Dr. Meissenbach war schon vor mir da, und wer ihn nicht kannte, hätte ihn nicht für einen genialen Ingenieur, sondern für einen richtigen Durchschnittsmenschen gehalten. Er war weder klein noch groß, wirkte weder jung noch alt, und war weder elegant noch schlecht angezogen.
Cora stellte mich vor. Dr. Meissenbach erwies sich als höflich, doch distanziert. »Wie ich höre, haben Sie Erfahrungen mit dem US-Markt?«
Ich nickte.
»Dann war es eine gute Idee von Herrn Westhoff, Sie uns mitzugeben.«
Wir bestiegen den Jumbo-Jet. Wir nahmen ganz vorne Platz, wo man die Windböen am wenigsten spüren würde. Wir schnallten uns an, drückten die Zigaretten aus und vertieften uns nach dem Start in die Zeitungen, die man uns gebracht hatte. Eine Stunde lang sprachen wir
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