Die ehrenwerten Diebe
mehr – jede Mühe gab, ihn aufzuheitern.
»Es tut mir wirklisch leid«, kam der Modeschöpfer auf Umwegen zur Sache, »daß isch euch verderbe diese Abend. Aber isch weiß schon nicht mehr, was isch noch soll machen. Immer wieder die gleische Schweinerei.«
»Seit wann?« unterbrach ich ihn.
Bevor er mich noch um meine Hilfe gebeten hatte, wußte ich, daß ich in diesen Fall einsteigen würde.
»Seit fast eine Jahr«, erwiderte er. »wissen Sie, es geht nicht nur um meine Ruf. Es geht schon um meine Existenz. Um Geld. Um viele Millionen.«
Für mich waren die Vorkommnisse eine interessante, für Paul Clement eine teuflische Geschichte: Der Pariser Salon hatte sich auf Modell-Konfektion spezialisiert, weil er, wie sein Gründer sagte, nicht nur für abgewrackte Millionärinnen und verrückte Filmdiven Mode machen wollte.
Das Haus Clement entwarf die Modelle, fertigte sozusagen Prototypen bis in die letzten Einzelheiten, kalkulierte das Material, bestimmte die Accessoires und verkaufte die Kreation sodann an interessierte Konfektionshäuser.
Wurden die Muster gestohlen und kopiert, dann verlor das Haus Clement nicht nur das lukrative Honorar für die Einzelanfertigung, sondern war auch noch gezwungen, den Schaden des Abnehmers zu ersetzen. Einmal hatte Paul Clement, um einen Kunden nicht zu vergrämen, die Kosten für siebentausend bereits gefertigte Roben übernehmen müssen.
»Bitte helfen Sie ihm«, bat Myrna Morin am Ende dieses verunglückten Abends.
»Ich will's versuchen«, erwiderte ich.
Ich stülpte meine Erinnerung um wie einen Klingelbeutel, und endlich fiel der Groschen: Aus einer Reminiszenz in Blond schälten sich Konturen heraus, sehr hübsche Konturen. Auf einmal wußte ich, daß die gesuchte Helferin Eva Steiner hieß und eine Juristin war, die sich ihr Studium gelegentlich als Aushilfs-Mannequin verdient hatte.
Ich verschaffte mir ihre Telefonnummer und läutete sie an. »Ach nein«, sagte sie lachend, »mein ungetreuer Ex-Gatte.« Sie war im Fall der ELUX-Werke, der nun schon fast zwei Jahre zurücklag, als meine Frau aufgetreten und hatte mir sehr geholfen. »Eigentlich hatte ich früher mit deinem Anruf gerechnet.«
»Ist es schon zu spät?« fragte ich. »Was ist mit dir? Verliebt, verlobt, verheiratet?«
»Immer hübsch der Reihe nach«, erwiderte sie lachend. »Außerdem mache ich gerade mein Staatsexamen. Ich bin in der Mitte.«
»Mit dem Examen oder der Liebe?«
»Mit beidem«, antwortete sie. »Und was ist mit dir? Bist du immer noch Single?«
»Noch«, versetzte ich.
»Hartgesotten?« fragte Eva.
»Es sieht so aus, als würde ich bald weich gekocht«, ging ich auf ihren Ton ein. Wir lachten beide. Dann kam ich zur Sache: »Eine Frage zuvor: Hast du inzwischen zugenommen?«
»Nicht ein Gramm«, entgegnete Eva. »Und ich muß es wissen, denn ich stell' mich jeden Morgen auf die Briefwaage.«
»Hättest du trotz deines Examens ein paar Tage Zeit für Paris?« fragte ich.
»Ich werd' schon nicht durchfallen«, entgegnete sie burschikos.
Wir verabredeten uns zum Frühstück. Eva schenkte mir Kaffee ein; wir verzehrten knusprige Brötchen, und ich gab notwendige Erläuterungen. »Du fliegst an die Seine voraus«, erklärte ich. »und arbeitest als Hausmannequin bei Paul Clement – es fällt nicht weiter auf, denn zu seinen Mädchen gehören auch eine Schwedin und eine Italienerin. Nur der Hausherr weiß, wer du wirklich bist. Und du stiehlst mir den Dieb mit den Augen.«
»So leicht ist das?« antwortete Eva lachend. Aber mehr Neugierde hatte sie offensichtlich auf mein Privatleben: »Wie heißt denn die Glückliche, die dein Single-Dasein beenden will?«
»Cora«, antwortete ich.
»Und wie hat sie das geschafft?«
»In erster Linie durch Abwesenheit«, versetzte ich. »Sie läßt sich überall in der Welt blicken, nur nicht am Starnberger See.«
Eva, eine Evastochter, war fürs erste zufrieden. Sie reiste noch am gleichen Tag nach Paris ab.
Ich verfolgte inzwischen die Spuren in Deutschland, wiewohl ich wußte, daß es wenig Zweck haben würde. Es traf alles ein, was mir Paul Clement gesagt hatte: Die Besitzerin der Boutique, die die Kopie von Myrnas Prunkstück geliefert hatte, war schuldlos an dem Zwischenfall. Sie hatte das Kleid gleich dreimal von einem Vertreter gekauft, der sich auf eine Kleiderfabrik berufen konnte, die wiederum im guten Glauben den Entwurf erworben hatte.
Nur der Dieb des Modells war nicht ausfindig zu machen; er mußte im Haus des
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