Die ehrenwerten Diebe
Modeschöpfers zu finden sein.
Ich freute mich auf Paris, auch wenn es keine Ferienreise würde. Ich wohne immer im gleichen Hotel in einer Seitenstraße der Champs-Elysees. Von hier aus konnte ich zu Fuß die Mode-Hochburgen in der Rue du Faubourg St. Honorè erreichen.
Man sah dem Modepalast nicht an, daß seine Fahne auf Halbmast hing.
Läufer dämpften meinen Schritt, stoffbezogene Wände den Schall. Alle Flure und Räume waren in einem müden Dunkelrot ausgeschlagen, Mobiliar und Beleuchtung sorgfältig darauf abgestellt. Selbst ältere Kundinnen mußten sich hier noch jung vorkommen.
Über den Gang liefen fünf hübsche Modemädchen, spärlich bekleidet. Eva lächelte mir zu, das fünfte Hausmannequin war meine Fünfte Kolonne.
Ich sah der geballten Anmut nach und mußte über das alte Mode-Dilemma lächeln: Die Mannequins konnten nicht bezahlen, was sie trugen, und die Kundinnen meistens nicht tragen, was sie bezahlten – nicht nur in meiner Branche geht die Gerechtigkeit seltsame Wege.
»Hoffentlich führen wir Sie hier nicht in Versuchung«, sagte Myrna Morin lächelnd. »Herzlich willkommen in Paris. Paul kommt gleich. Wir haben ausgerechnet heute ein paar amerikanische Einkäufer im Haus.«
Ich setzte mich im Salon Clement in ein gemachtes Nest und erhielt ein Büro neben dem Arbeitszimmer des Hausherrn. Ich trat als Beauftragter einer deutschen Finanzgruppe auf, die mit dem internationalen Modesalon eine Verbindung eingehen sollte. So fiel es nicht auf, daß ich mir die Geschäftsbücher vorlegen ließ.
Der Kreis der Verdächtigen war abgegrenzt. Rein technisch gesehen kamen als Täter nur Paul Clement, Myrna, der Chefeinkäufer, der Verkaufsdirektor und die vier Hausmannequins in Betracht.
»Worum geht es eigentlich dem Dieb?« fragte ich den Modeschöpfer: »Um Geld?«
»Vermutlich.«
»Oder will er Ihnen nur schaden?« bohrte ich weiter.
»Isch nicht kann glauben«, erwiderte mein Gastgeber.
»Wer sind Ihre Feinde?« fragte ich ihn direkt.
»Isch nich 'abe Feinde«, erwiderte er.
»Wie steht's mit Frauen?« wagte ich mich auf dünnes Eis.
»Frauen«, entgegnete Paul Clement ein wenig großspurig, »das ist eine schöne Sache … aber doch nicht eine Problem.«
»Wenn ich Ihnen helfen soll, muß ich Ihnen eine ganze Reihe taktloser Fragen stellen«, sagte ich.
»Fragen Sie«; er lächelte ohne Heiterkeit.
»Ich brauchte eine Liste Ihrer …«
»… von meine Amouren«, erwiderte er mit einer Spur Spott. »Lassen Sie mir ein wenisch Zeit für die Gewissenserforschung.«
Ich betätigte mich wieder als Bücherwurm. Zunächst einmal stellte ich fest, daß es um den berühmten Modesalon tatsächlich schlecht stand. Bereits bei der vorletzten Panne hatte der Hausherr sein gesamtes Privatvermögen für einen Kredit verpfändet. Die Firma gehörte ihm zu 51 Prozent, die anderen Mitbesitzer waren breit gestreut, wenn man von den zehn Prozent absah, die Myrna Morin seit knapp zwei Jahren hielt.
Zum Mittagessen war ich mit Eva verabredet.
»Hoffentlich klärst du diesen Fall nicht so schnell«, sagte sie lachend. »Mir gefällt es ausgezeichnet in Paris.«
Das Essen war vorzüglich, und das Mädchen aus München garnierte es mit interessantem Tratsch aus dem Hause Clement.
»Denise hat einen verheirateten Gemüsehändler als Freund«, berichtete sie. »Die Schwedin Birgit hat gerade eine Enttäuschung hinter sich und ist nicht gut auf Männer zu sprechen. Grazielle aus Rom ist mit einem Studenten verheiratet, dessen Studium sie finanziert. Das sind alles keine Geheimnisse, das habe ich schon am ersten Tag erfahren.«
Ich bestellte Kaffee im Glas, und Eva fuhr fort: »Bleibt noch Georgette. Ein verschlossener Typ, spricht nie über private Dinge.«
»Und?«
»Aber sie hat ein Privatleben – in Form eines netten jungen Burschen.« Ich merkte, daß Eva stolz war auf ihre Enthüllung. »Er ist Reporter einer Modezeitschrift.«
»Nicht schlecht«, erwiderte ich. Es war klar, daß ich Eva bat, sich um Georgette zu kümmern.
Dann erwartete mich ein zweiter Nachtisch: das gesammelte Liebesleben des Hausherrn. Zunächst einmal wich er mir aus, und seine Diskretion kleidete ihn gut.
»Wie viele Entwürfe machen Sie in der Regel von einem neuen Modell?«
»Das ist verschieden«, antwortete der Modeschöpfer. »Vielleicht zehn, manschmal zwölf, oft noch viel mehr. Dieses Prachtstück von Myrna in München – isch glaube – war schon Entwurf Numero siebssehn.«
Ich ließ ihn
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