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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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damals nicht so leicht unterzukommen. Als Flüchtling. Von drüben. Ohne Geld. Ohne Beziehungen. Mit einem Examen aus Leipzig.«
    »Und?«
    »Das Examen ist in Ordnung.«
    Ich nickte und wartete.
    »Sie wissen doch, wie das ist bei uns«, fuhr er fort. »Ich wollte die Stellung haben. Um sie zu bekommen, habe ich mir den Doktor-Titel zugelegt …«
    »Und das hat Grasser herausbekommen?«
    »Ja«, antwortete der Mann. »Er stellte mir das Ultimatum: Anzeige oder freiwillige Kündigung.«
    »Und darauf sind Sie hereingefallen?«
    »Was sollte ich tun?« erwiderte er.
    »Das sage ich Ihnen jetzt.« Ich entnahm dem Röhrchen zwei Tabletten und reichte sie Dr. Meissenbach. »Sie schlafen bis morgen. Und wenn Sie aufwachen, ist die Welt wieder in Ordnung.«
    »Der Skandal …«
    »… findet nicht statt«, sagte ich. »Gute Nacht.«
    Ich ging nach draußen.
    »Sie können nach Hause gehen«, sagte ich zu dem Detektiv unter der Tür. »Aber vorher bringen Sie mich bitte in die Stadt zurück.«
    Er setzte mich vor Coras Wohnung ab, und ich drückte auf den Klingelknopf.
    Sie öffnete sofort.
    »Alles in Ordnung?« fragte ich.
    »Ich habe noch nicht einen einzigen Karateschlag anwenden müssen.«
    Wir gingen nach oben.
    Grasser starrte mich verärgert an. »Was wollen Sie denn hier?« fuhr er mich an.
    »Das gleiche wie Sie«, entgegnete ich. »Ich versuche bei Frau Dr. Draist Boden zu gewinnen.« Ich grinste ihn an. »Hoffentlich mit mehr Erfolg als Sie.«
    Cora stand neben uns, ohne als Schiedsrichter einzugreifen.
    »Kannst du auch Maschine schreiben?« fragte ich sie.
    »Natürlich«, erwiderte Cora, und ich nahm mir vor, sie bei Gelegenheit zu fragen, ob sie auch Chinesisch spräche und von Integral-Rechnen etwas verstünde und wisse, wie Babys zu wickeln seien.
    »Dann muß ich dich leider bitten, zur Unzeit für Herrn Grasser zwei Briefe zu tippen.«
    »Sie haben doch wohl 'ne Meise«, polterte er.
    »Erstens ein Kündigungsschreiben an den SIRIUS-Konzern …«
    »Und dann?« fragte Cora geschäftig.
    »… einen Brief, in dem mein feiner Mitbewerber gesteht, daß er Dr. August Meissenbach erpresst hat.« Ich ging auf Grasser zu. »So war's doch, Sie Schweinehund!«
    Ich sah sofort, daß er angeschlagen war, und überlegte, was er aus der Situation machen könnte.
    »Ich denke gar nicht daran«, beteuerte er.
    »Dann rufe ich jetzt den Staatsanwalt an …«
    »Aber das ist doch Erpressung«, raffte er sich zu einem Widerstand auf.
    »Kann sein«, entgegnete ich. »Aber wie man in den Wald schreit, so tönt es heraus.« Ich schenkte mir einen Cognac ein. »Ich weiß, wie man mit Leuten Ihres Schlags umgeht.«
    Der Fall war ausgestanden. Grasser unterschrieb und verschwand.
    Die beiden Briefe kamen in den Tresor Georg Westhoffs im Chefbüro.
    Kurze Zeit später gab es ein Nachspiel: Eine deutsche Universität, die ich hier nicht nennen möchte, ernannte Meissenbach zum Ehrendoktor und beauftragte ihn, als Gastprofessor Vorlesungen zu halten.
    Vielleicht hatte der Tycoon nachgeholfen – ich weiß es nicht.
    Cora brachte mich zum Flugplatz nach Lohausen.
    »Und wie geht's mit uns weiter?« fragte ich.
    »Hat es denn schon begonnen?« erwiderte sie scheinheilig. »Dann heg das zarte Pflänzchen.«
    Ihr Lächeln deutete an – aber nur ganz unverbindlich –, daß es vielleicht eine Ernte geben könnte.
    Als ich in den Jet nach München stieg, dämmerte mir erstmals, daß eine fatale Alternative auf mich zugekommen war: Cora sofort zu vergessen oder mein Junggesellendasein zu beenden.

6
    Es war später Nachmittag, über der Isarstadt platzte eine Wolkenfront wie ein Zeppelin, und so glichen die Gäste der überfüllten Bar ein wenig Hühnern, die vor dem Regen geflüchtet waren – wenn auch keineswegs aufs Trockene. Der Vergleich war uncharmant, denn es handelte sich bei den Umsitzenden ausschließlich um Mädchen, eins schöner als das andere.
    Es gehörte zu meinen Grundsätzen, vor Sonnenuntergang keinen Alkohol zu mir zu nehmen und mir ein Privatleben erst nach Dienstschluss zu gestatten – und das war nach Mitternacht oder nie –, aber ich hatte gerade eine geschäftliche Besprechung hinter mich gebracht und einem Dutzend hübscher Mädchen, die keine Dutzendware sind, begegnet man nicht alle Tage.
    »Hier«, sagte eine Blondine, stand auf und reichte ihrer Freundin ein Schmink-Köfferchen. »Halt mal eben mein Gesicht.«
    Sie ging hinaus, aber keiner lachte über den alten Mannequinwitz. Ich erinnerte

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