Die ehrenwerten Diebe
weitersprechen.
»Oft nur eine Kleinischkeit. Wir ändern Robe nicht aus Gründen von der Mode, sondern weil es gibt Schwierischkeiten bei unsere Lieferanten.« Er überlegte sich, wie er mir seine Arbeit noch besser erklären könnte. »Sehen Sie, diese Geschichte von München: Sie nicht 'aben gesehen Unterschied zwischen beide Roben?«
»Unterschied?« fragte ich und versuchte zu verbergen, wie hellwach ich auf einmal war.
»Und doch es waren Entwurf Numero siebssehen und Numero achtssehen. Sie verstehen?«
»Kein Wort.«
»Ein winziges Detail: Die Schließe von die Gürtel. Bei diese schreckliche Blondine war sie aus Glasperlen, und dann wir 'aben gesehen, daß die Lieferung dauert zu lange, und wir 'aben genommen Verschluss aus … aus Keramik.«
Ohne es zu wissen, hatte mich Paul Clement auf die erste heiße Spur gebracht: Ich brauchte nur anhand der Reisespesen nachprüfen, wer bei der endgültigen Festlegung des Entwurfes gefehlt hatte.
Schließlich drang ich in die Intimsphäre Paul Clements ein: Einsilbig, wenn auch nicht eintönig plauderte der Modeschöpfer über ein beachtliches Vorleben, nannte Namen, Affären, Reisen, Auseinandersetzungen.
»Haben Sie niemanden vergessen?« fragte ich.
»Das isch schon möglisch«, entgegnete er und lächelte befreit.
»Wie stehen Sie eigentlich zu Myrna?« fragte ich vorsichtig.
»Aber sie ist die Seele von meine Geschäft.«
»Und wie standen Sie früher zu ihr?«
Sein Mund wurde verschlossen, sein Blick versuchte mir auszuweichen.
»Sie haben sich vor knapp zwei Jahren von ihr getrennt«, schoß ich ins Blaue.
»Warum Sie fragen, wenn Sie wissen alles?«
»Und Sie haben ihr zehn Prozent Ihrer Firma als – pardon – als Abfindung übertragen.«
»Stimmt«, bestätigte er. »Aber seit diese Zeit wir sind richtische Freunde.«
Im nächsten Moment überstürzten sich die Ereignisse.
Nach einem kurzen Anklopfen stürmte Eva herein.
»Georgette!« rief sie außer Atem. »Sie hat Schuhe mit so merkwürdigen Absätzen.«
Wir hasteten über den Gang und stürmten dann rücksichtslos die Garderobe der Mädchen. Denise lachte. Graziella protestierte. Birgit war fast nackt und betrachtete uns gelangweilt.
»Geben Sie mir Ihre Schuhe«, wandte ich mich an Georgette.
Sie reichte mir ein paar hochhackige Gebilde.
»Nicht diese«, erwiderte ich und wühlte in ihren Sachen.
Dann hielt ich rosa Abendschuhe in der Hand, in deren linkem Absatz eine Minikamera eingebaut war.
Das Modehaus geriet aus dem Häuschen. Bevor Paul Clement noch eine Entscheidung getroffen hatte, war von Myrna bereits die Polizei alarmiert worden. Die Nachricht, daß die langgesuchte Diebin endlich gefaßt sei, verbreitete sich im Haus wie ein Lauffeuer mit Rückenwind.
Im Konferenzraum wurde Champagner entkorkt, und Eva durfte sich drei komplette Ausstattungen aussuchen.
Ich stand mit Myrna in der Ecke.
Sie prostete mir zu.
»Das haben Sie großartig gemacht, Monsieur Fabian«, sagte sie, und ihr Lächeln ließ keinen Zweifel daran, daß ich als Honorar auch ihre Gunst vereinnahmen könnte. »Ich wußte, daß Sie mit dieser Sache fertigwerden.«
»Der Fall ist noch nicht geklärt«, erwiderte ich.
»Wieso?«
»Georgette ist nur ein kleiner Fisch. Eine zufällige Duplizität. Sie wollte ihrem Freund nur zu ein paar Schnappschüssen verhelfen.«
»Sie meinen«, sagte Myrna erschrocken, »diese schreckliche Geschichte geht weiter?«
»Nein«, entgegnete ich hart. »Wo waren Sie am vierten August, Myrna?«
»Woher soll ich das wissen«, antwortete sie ohne Verständnis.
»Ich werde es Ihnen gleich sagen«, erwiderte ich und ging mit ihr in mein Büro.
Während ich in den Reiseabrechnungen wühlte, nahm sie in einem Klubsessel Platz, die Beine übereinander geschlagen, ein so hübscher, ein so verführerischer Anblick, daß ich einen Moment lang bedauerte, mir ihren Zorn zuziehen zu müssen.
»Sie waren in Nizza«, erklärte ich.
»Eine wunderschöne Stadt«, versetzte die Direktrice.
»Aber an diesem Tag wurde an Ihrer Münchener Robe eine Kleinigkeit geändert«, sagte ich. »Das ist Ihnen entgangen, Myrna.«
»Was soll das heißen?«
»Sie sind nie darüber hinweggekommen, daß Paul Clement Sie verlassen hat«, erwiderte ich. »Sie haben die zehnprozentige Beteiligung als eine Beleidigung angesehen.«
Einen Moment lang sah sie aus, als sei sie geschlagen worden. Dann zerfiel ihr Gesicht in zerbröckelndes Make-up. Falten traten hervor. Ein verzerrter Mund zeigte zu
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