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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Angebote ihrer Konkurrenten; da werden vertrauliche Planungen – von Experten hinter geschlossenen Türen noch diskutiert – bereits in den einschlägigen Enthüllungsblättern gedruckt.«
    In Bonn lebt ein Heer von Journalisten und Lobbyisten. Sie alle scheinen aus der gleichen Quelle zu schöpfen. Ein Lobbyist ist ein Vertreter interessierter Wirtschaftskreise, ausstaffiert mit einem dicken Spesenkonto, um in der Bundeshauptstadt das Gras wachsen zu hören. Soweit er sich gesetzlicher Mittel bedient und nur vielleicht Regierungsvertreter, Beamte oder Abgeordnete ein wenig zu üppig bewirtet, ist dagegen nichts einzuwenden.
    »In letzter Zeit aber«, erläuterte der Staatssekretär, »sind so viele Durchstechereien vorgekommen, daß es manchmal aussieht, als hätte in Bonn nicht die Regierung, sondern die Lobby das Sagen. Wir haben das zuerst für Zufälle gehalten, aber sie häuften sich so, daß wir an Verrat denken mußten. Wir haben vor kurzem unter der Hand eine Untersuchungskommission zusammengestellt, die sich aus Tarnungsgründen im Auswärtigen Amt etablierte. Bis gestern hatte sie der fachlich wie charakterlich hervorragende Ministerialdirektor Pfendter geleitet.«
    »Wieso hatte?« fragte ich.
    »Er ist tot«, entgegnete der Staatssekretär.
    Die eintretende Sekretärin unterbrach seine Hiobsnachricht. »Herr Vonwall möchte Ihnen Bericht erstatten.«
    »Bestens«, erwiderte der Staatssekretär: »Er kommt wie gerufen.«
    Ich hatte den Kriminalrat – der im Fall Letters mein Partner gewesen war – vor Jahren auf einem Cocktailempfang der Deutschen Botschaft in Washington kennen gelernt. Der alerte, intelligente Austausch-Beamte hatte sich beim FBI speziell mit der Praxis organisierter Banden nach Mafia- und Cosa Nostra-Beispiel vertraut gemacht und unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Deutschland Gelegenheit erhalten, seine überseeischen Erfahrungen zu verwerten. Als Leiter einer Sonderkommission hatte Vonwall in Frankfurt die sogenannte >Euro-Gang <, eine Mafia am Main, nach wochenlangem Tarneinsatz zerschlagen und die Spuren bis zu ihren ausländischen Hintermännern verfolgt.
    Er war ein energischer Spezialist mit Pfiff, der sich an den Sinn seiner Dienstvorschriften hielt, nicht an ihre Buchstaben. Unsere beruflichen Wege hatten sich schon ein paar Mal gekreuzt; seitdem waren wir etwas mehr als Bekannte geworden und etwas weniger als Freunde.
    Nach einer kurzen Begrüßung und ein paar verbindlichen Worten unseres Gastgebers kam Vonwall sofort zur Sache.
    Dienstagabend, vier Minuten vor Mitternacht: Eine dunkle Limousine war an der Uferstraße des Rheins entlang gerast. An einer ziemlich entschärften Kurve rammte der Fahrer frontal einen Baum. Der Wagen überschlug sich, raste die Böschung hinunter und klatschte in den Strom. Ein später Passant hatte den Unfall beobachtet und die Polizei alarmiert. 14 Minuten später war das Unfallkommando zur Stelle. Für die Beamten zog der Unfall eine ziemliche Alkoholfahne hinter sich her. Noch in der Nacht begannen die Bergungsarbeiten. Im Morgengrauen wurde der Wagen gehoben und der Tote identifiziert. Der Verunglückte hieß Pfendter, Erich-Maria Pfendter, zur Zeit Beauftragter für die Aufklärung dubioser Vorfälle.
    »Und damit ist es ein Fall für Sie, meine Herren«, stellte der Staatssekretär fest.
    »Das Resultat der Blutprobe?« fragte ich. »Wie weit ist die gerichtlich-medizinische Untersuchung?«
    »Der Mann war nicht gerade betrunken«, entgegnete der Kriminalrat, »aber doch ganz schön angesäuselt, eins Komma sechs Promille.«
    Der Fall schien eine banale Wendung zu nehmen, aber Vonwall schob ihn sofort wieder auf das subversive Geleis: »Der Unfall sieht ganz alltäglich aus, aber es steckt mehr dahinter. Pfendter trank sonst nie. Seine Kollegen und Untergebenen rissen Witze, weil er sogar bei der Weihnachtsfeier Tee aus Punschgläsern trank. Er hatte den Abend mit einer reizvollen und nicht ganz unbekannten Dame verbracht.« Der Kriminalrat unterbrach sich, entnahm seiner Mappe ein Foto und fragte: »Lieben Sie blond, Mike?«
    »Warum eigentlich nicht?« antwortete ich.
    »Dann«, erwiderte Pit Vonwall und schob mir das Bild zu, »dürfte Ihnen Ihre liebenswürdige Mitarbeit auch einige angenehme Momente bieten.«
    Ich warf nur einen kurzen Blick auf den Schnappschuss; dabei wäre diese junge Blondine durchaus einer längeren Betrachtung wert gewesen, aber sie erwies sich als überflüssig.
    »Beim letztenmal war die Dame noch

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