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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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schwarz«, stahl ich Vonwall die Schau. »Wanda von Wietersheim. Einfach Spitze in ihrem Fach. Ihr Fach ist, attraktiv zu sein. Sie ist der Typ, der auf jeder Hochzeit tanzt, ohne je zu heiraten.« Es freute mich, den beiden Zuhörern mein Wissen wie einen Kübel Wasser vor die Füße zu schütten. »Ich habe Wanda auf dem letzten Presseball in Bonn kennen gelernt.«
    »Wiedersehen macht Freude«, spottete Vonwall.
    »Hoffentlich«, erwiderte ich.
    »Und ich dachte, Sie wären Wirtschaftskriminalist und nicht Schürzenjäger«, witzelte der Staatssekretär.
    »Also«, wurde Vonwall sofort wieder sachlich. »Pfendter hatte die beiden Stunden vor dem Unfall in der Wohnung der flotten Wanda verbracht. Es war nicht sein erster Besuch. Er stand auf der Liste ihrer Verehrer, und die muntere Dame von Wietersheim hält eine Menge von ihnen auf Trab. Sie verkehrt in einem Kreis von Millionären, Lobbyisten, Berufs-Erben, Spesenrittern und Diplomaten. Das kann alles ganz harmlos sein, muß es aber nicht.«
    »Vielleicht hat sich Pfendter während des Zusammenseins mit ihr maßlos geärgert und sich deshalb ausnahmsweise mit dem ungewohnten Alkohol abreagiert«, wandte ich ein.
    »Möglich«, versetzte der Kriminalrat. »Wer vertritt jetzt eigentlich Pfendter?«
    »Paul Wendsberg«, antwortete Gregorius.
    »Kommissarisch.«
    »Im Auswärtigen Amt?«
    »Im gleichen Büro. Er war Pfendters Stellvertreter und sitzt jetzt auf seinem Stuhl. Wäre vielleicht ganz gut, wenn Sie sich ihm vorstellen würden«, stellte der Staatssekretär fest und verabschiedete uns.
    Wir pflügten uns durch die Adenauerstraße zum Auswärtigen Amt. Beim Betreten des Mammuthauses hoffte ich, daß die deutsche Diplomatie etwas einfallsreicher wäre als die Architektur ihres Hauptquartiers. Der Pförtner musterte unsere Ausweise, dann sperrte er den Lift auf. Und damit wußten wir, daß er uns einen hohen Stellenwert einräumte: Weniger wichtige Besucher und Beamte der unteren Ränge mußten den Paternoster nehmen, den man Proletenbagger nannte.
    Eine Sekretärin brachte uns zur Abteilung Pfendter. Der Name des Verunglückten stand noch an der Tür, aber an seinem Schreibtisch saß ein anderer.
    »Wendsberg«, stellte er sich vor. »Ihren Besuch habe ich erwartet und befürchtet.«
    »Warum befürchtet?« fragte ich.
    »Weil ich Ihnen kaum helfen kann«, erwiderte er. Er war groß, schlank, dunkler Anzug; sicher ging er nicht ohne Homburg und Regenschirm aus. Ein glatter Diplomat wie aus dem Bilderbuch: Herrenreiter, Golfspieler und Pfeifenraucher, Passionen ohne Leidenschaft.
    »Wie lange kannten Sie Herrn Pfendter?« fragte ich.
    »Viele Jahre«, antwortete Wendsberg. »Er war mein Chef. Auch privat waren wir ein wenig befreundet.«
    Seine Stimme trug Trauer, er bot uns Zigaretten an. Dabei bemerkte ich, daß seine rechte Hand schmutzig wirkte. Ich sah genauer hin und stellte fest, daß sie nur braungebrannt war; ich registrierte es, ohne darüber nachzudenken.
    »Ein Beamter von altem Schrot und Korn. Junggeselle. Keine Affären. Keine Leidenschaften. Keine Geldsorgen. Nicht der geringste Ansatzpunkt zu einer Erpressung.«
    »Sie haben in den letzten Stunden die Verschluss-Sachen überprüft?«
    »Wir haben jede Möglichkeit durchgespielt. Ich kann Ihnen versichern, daß mit Herrn Pfendter alles in Ordnung war.«
    »Sie glauben an einen Unfall?«
    »Was denn sonst?« erwiderte er. »Jede andere Annahme wäre doch wohl absurd.«
    »Und die Verratsfälle, die Ihr Vorgänger untersuchte?« fragte der Kriminalrat.
    Der Diplomat lächelte wissend.
    »Wie ich sehe«, erwiderte er dann, »kommen Sie von Herrn Gregorius. Es ist seine Marotte. Sonst bleibt er ein Realist, ein exzellenter Beamter, aber hier sieht der Herr Staatssekretär wirklich Gespenster.«
    »Nur Gespenster?« fragte ich.
    »Meines Erachtens ja«, entgegnete Wendsberg. »Pannen, gewiß. Auch kleine Verstöße gegen die amtlich vorgeschriebene Schweigepflicht. Aber können Sie verhindern, daß ein Beamter am Abend beim Bier in seiner Stammkneipe sich ein bißchen wichtig macht und ins Reden kommt?«
    »Und das STELLA-Bauprojekt?« fragte ich.
    »Oder die angestrebten VEBA-Schürfrechte?« übernahm Vonwall seinen Part.
    »Oder die Presseveröffentlichung über die geplanten neuen Importbestimmungen für Billigwaren aus …«
    »Zufälle«, unterbrach mich Wendsberg. »Lappalien. Saure-Gurken-Zeit-Erfindungen von beschäftigungslosen Journalisten.«
    »So leicht würde ich diese Vorkommnisse

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