Die ehrenwerten Diebe
bei heiklen Fragen äußerst gewandt und selbstsicher. Aber ich witterte hinter ihrer Überlegenheit die Unruhe. Sie wollte mir etwas sagen und wagte es nicht. Noch nicht.
Wenn ich es erfahren wollte, durfte ich nicht drängen. »Sie zählen viele Diplomaten zu Ihren Freunden?« fragte ich weiter.
»Aber ja«, antwortete sie. »Wenn man an allen Ecken und Enden auf Gammler stößt, haben Herren wirklich einen Seltenheitswert.«
Sie bot mir eine Erfrischung an.
Wir einigten uns auf einen trockenen Sherry.
»Sie sind doch so etwas wie ein Gentleman-Detektiv«, sagte sie unvermittelt.
»Was ist denn das?« fragte ich.
»Die neueste Masche«, erwiderte Wanda. »Sie haben sicher einen dunklen Anzug in Ihrem Koffer?«
»Zwei«, antwortete ich.
»Dann bitte ich Sie, mich heute Abend auf eine Party zu begleiten.«
»Gerne«, entgegnete ich. »Wer sind denn unsere Gastgeber?«
»Muß erst nachsehen«, versetzte sie lachend.
Ich verabschiedete mich und fuhr zur Sicherungsgruppe Bonn, ich trank einen Schnaps mit Pit Vonwall. Es gab nichts Neues. Nicht bei den Ermittlungen und schon gar nicht in Bonn.
Die Party war das übliche: viele neue Gesichter, die mir allesamt bekannt vorkamen, weil solcherlei Veranstaltungen – sei es in Hamburg, München, Wien, New York oder Rio – immer von den gleichen Typen bevölkert werden. Übersättigte Übergewichtige drängten sich am Kalten Büfett oder schickten ihre Laufburschen los, hagere, hungrige Karrieremacher. Geschminktes Klimakterium präsentierte seine Rechenfehler, und die Herren in den besten Jahren kratzten ihren schütteren Charme zusammen wie Kleingeld. Volksvertreter beteuerten, sich für das Allgemeinwohl aufzuopfern, und Interessenvertreter aller Wirtschaftszweige, Zünfte und Verbände spitzten die Ohren und verteilten Einladungen.
Wanda drehte auf. Sie zeigte, was sie konnte. Selbst besonnene Herren drängten sich um sie, und die Damen schossen gehässige Blicke wie giftige Pfeile ab. Das Partygirl fing sie auf und warf sie zurück.
Ich beobachtete sie und hatte den Eindruck, daß sie die Herren nur deshalb ermunterte, um ihre Begleiterinnen zu demütigen. Vielleicht hatte die kühle Hitze ihrer Ausstrahlung recht natürliche Gründe. Aber ich war nicht hergekommen, um mich mit Wandas Komplexen zu beschäftigen, sondern um zu klären, ob sie ihre Beziehungen nutzte, um geheime Nachrichten der Bundesregierung kostenpflichtig an die falsche Adresse weiterzureichen.
Natürlich war ich auf einer solchen Party selbst als Privatmann noch eine Art Exote, und das brachte mich unter die Leute. Wanda wurde in diesem Moment von Konsul Stiller entführt. Sein Tropical-Maßanzug unterschlug gut 15 Jahre. Graue Schläfen, Goldrandbrille. Hinter dem Mann standen viel Geld und Freigebigkeit. Eigentlich genau der Typ, auf den Wanda abonniert war.
»Mein Mann«, sagte eine Dame im Cocktailkleid.
Sie war an die 40, konnte sich sicher auch bei Tag sehen lassen, wenngleich ihre äußeren Reize neben ihrer Rivalin verblassen mußten. »Sie gefallen mir, Herr Fabian«, fuhr sie fort, »obwohl ich Ihnen böse bin, daß Sie diese Männerfresserin mitgebracht haben.«
»Irrtum, gnädige Frau«, erwiderte ich. »Sie hat mich mitgebracht.«
»Und sie wechselt während der Party bestimmt ihren Begleiter. Verlassen Sie sich drauf. Schauen Sie mal, wie ungeschickt mein lauter Stiller balzt. Man sollte ihn fotografieren und auf Tonband schneiden.«
»Und die Dame?« fragte ich.
»Erwürgen«, versetzte die Frau des Konsuls. »Oder erstechen. Oder sonst was. Wenn der mal was passiert, gibt es hundert Verdächtige.« Sie lächelte hämisch. »Die Gesellschaftskolumnisten spitzen schon jetzt Ohren und Bleistift.«
Party-Geschwätz, dachte ich. Eifersucht. Das schöne Geschlecht einmal ziemlich hässlich. Die einen hatten den reichen Schmuck und die anderen den satten Erfolg.
Wanda hatte den Konsul abgeschüttelt und beschäftigte sich mit einem brasilianischen Presse-Attache, wechselte von ihm zu einem Radio-Großhändler. Und die Zeit verging an diesem Abend wie ein Bonbon im Mund.
Gegen zwei Uhr war ich bei Wanda wieder an der Reihe. »Sollten wir nicht gehen?« fragte ich.
»Blendende Idee«, erwiderte sie.
Ich brachte sie im Taxi nach Hause.
»Ich muß mit Ihnen sprechen«, sagte sie kurz vor dem Ziel.
»Bitte«, entgegnete ich.
»Nicht jetzt und nicht hier«, versetzte Wanda. »Kommen Sie morgen zum Frühstück zu mir. Zehn Uhr.«
»Zu spät«, sagte ich.
»Zu
Weitere Kostenlose Bücher