Die ehrenwerten Diebe
Universator-Raum war leer.
Miriam sah auf den Bildschirm.
»Und da hast du mich die ganze Zeit mit deinen Blicken verfolgt, du Wüstling?«
»Du hast immer blendend ausgesehen«, erwiderte ich lachend.
Dann schwiegen wir – und starrten auf den Monitor. Generaldirektor Noske war aufgetaucht.
Er sah sich um, ging in den Nebenraum, stellte fest, daß er allein war, und dann machte er sich an den Universator heran, zeigte seinen Ausweis, nannte Namen, Dienststellung und Codewort, alles präzise und exakt.
Als letzte Sperre kam nunmehr die persönliche Frage:
»Lebt Ihre Schwiegermutter noch?«
»Nein.«
»Wie lautete ihr Vorname, in welchem Jahr und an welchem Ort ist sie zur Welt gekommen?«
»Barbara, 1900, Breslau«, antwortete Noske mit abwesender Stimme.
Der Universator streikte. Eine rote Lampe flammte auf. Einen Moment lang wirkte der Spitzenmanager verwirrt, dann faßte er sich.
Er begann mit der Prozedur noch einmal von vorne. Bei der persönlichen Frage gab er eine andere Antwort:
»Marion, 1912, Hamburg.«
Die grüne Lampe flammte auf.
»Mein Gott, ist der mit den Nerven runter«, sagte Miriam. »Verwechselt die eigene Schwiegermutter.«
»Oder auch nicht«, versetzte ich.
Auch bei mir war grünes Licht aufgeflammt.
Ich raste nach München. Vielleicht hatte ich nur eine fixe Idee. Aber immer, wenn ich auf einer heißen Fährte bin, spüre ich ein leichtes Sodbrennen, wie ich es jetzt spürte.
Ich brach mit Ungestüm in die European Air-Zentrale ein.
Vom Hausherrn Noske als Finanzbeamter auf Sonderprüfung angekündigt, stieß ich auf wenig Gegenliebe.
Es war ein Wettlauf mit der Zeit.
Ich konnte mir hinterher nicht vorwerfen, zu langsam gewesen zu sein, aber daß ich die erste Runde zunächst verlor, sollte ein Menschenleben kosten.
Zuerst knöpfte ich mir den Personalchef vor.
Ich stellte ihm eine Reihe von Routinefragen; dann beschlagnahmte ich gegen seinen Protest sämtliche Akten und ließ sie in das gegenüberliegende Gebäude der Fluglinie schaffen, wo ich mein Quartier aufgeschlagen hatte.
Ich hatte, schon bevor ich nach Mainbach gefahren war, eine bewährte Auskunftei auf die Spitzenleute der Fluglinie angesetzt und war laufend über das Ergebnis der Recherchen informiert worden. Es war gleich null, nach dem Motto: Außer Spesen nichts gewesen.
Ich etablierte in den Geschäftsräumen eine Menge Wanzen, Mini-Mikrofone.
An jedes schloß ich ein Tonband an, da ich nicht alle Gespräche gleichzeitig überwachen konnte.
Zunächst nahm ich mir die Personalakte Noske vor. Er war blütenweiß. Das Paradezeugnis eines Musterschülers. Kaum ein Privatleben. Tödlicher Unfall der Schwiegermutter Marion Messmer aus Hamburg.
Aber warum hatte Noske zuerst ganz andere Daten genannt?
Es konnte kein Versprecher sein.
Es gab eigentlich nur eine Erklärung, daß der Mann schon einmal verheiratet gewesen war und zerstreut seine erste Schwiegermutter genannt hatte.
Eine verschwiegene Scheidung war eine Einzelheit aus dem Privatleben und ging eigentlich die Fluglinie nichts an.
Ich forstete die anderen Akten durch.
Nach zwei Tagen kam der Generaldirektor.
Er brachte Miriam gleich aus Mainbach mit.
Tagsüber spielte ich meine Rolle als Steuerprüfer weiter, nachts hörte ich Tonbänder ab. Tag- und Nachtbetrieb gingen ineinander über, denn in der Zentrale der Fluglinie machten viele Mitarbeiter Überstunden.
Irgendwo, ganz nahe, mußte die Lösung liegen.
Ich schaltete ein Tonband ein.
Es war Karwanke, der Pressechef. Ich konnte die Stimmen längst auseinander halten. Er diktierte einen Waschzettel, brach ab.
»Wir machen das morgen fertig«, sagte er zu seiner Sekretärin. »Sie können gehen.«
Ich schaltete das Gerät ab.
Noske? Karwanke?
Eine seltsame Namensähnlichkeit. Laut Miriam war der Pressechef ein Faulpelz, den Noske nicht mochte und trotzdem hielt.
Ich nahm mir noch einmal seinen Personalakt vor.
Fast im gleichen Augenblick, als ich auf die Lösung stieß, überstürzten sich im Hauptgebäude gegenüber die Ereignisse.
Karwankes Mutter hieß Barbara. Sie war 1900 geboren. In Breslau. Diese Einzelheiten entsprachen genau den Angaben, die der Generaldirektor versehentlich dem Universator gemacht hatte.
Ich stand auf, sah auf die andere Seite.
Einige Büros waren noch beleuchtet.
Noske diktierte. Ein paar Räume weiter ging Karwanke rauchend auf und ab. Man sah ihn durch die Gardinen. Auch in Miriams Büro brannte noch Licht. Ich hatte die Freundin gebeten, immer
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