Die ehrenwerten Diebe
erst als letzte die Zentrale zu verlassen.
Wenn Karwankes Mutter Noskes erste Schwiegermutter war, mußte der Pressemann sein Schwager sein.
Ich schaltete mich in Noskes Diktat ein.
Die Wanze arbeitete ausgezeichnet – ich geriet in eine Direktübertragung des Schicksals.
»Ich kann nichts dafür, Sybille. Wir waren schon ein Jahr verheiratet, als ich erfuhr, daß meine erste Frau noch lebte. Ich war ein Bigamist wider Willen, und ich war zu feige, um es dir zu sagen. Ich habe mich mit meiner ersten Frau finanziell arrangiert, und die Sache schien gut zu gehen. Jeder von uns beiden lebte ja längst in einer anderen Welt. Und meine Welt bist du.« Man merkte, daß Noske das Sprechen schwer fiel, aber tapfer fuhr er fort: »Und dann tauchte Karwanke auf, mein Schwager. Er hatte mich vom ersten Moment an erpresst. Ich mußte ihn in die Firma einstellen, und jetzt will er mich zwingen, ihm unser Universator-Programm auszuhändigen. Ich weiß nicht mehr weiter. Ich muß die Konsequenzen …«
Plötzlich schaltete sich eine andere Stimme ein:
»Das denkst du.« Es war Karwanke. »Du kannst ruhig zum Teufel gehn, aber dieses Tonband wird gelöscht.«
Ich ließ das Gerät weiterlaufen und stürmte auf die andere Seite.
Ich hörte einen Schuß, hetzte die Treppe hinunter und jagte über die Straße, dem Eingang zu.
Karwanke hatte seinen erpressten Schwager erschossen und war dabei, die Sache als Selbstmord zu tarnen, als Miriam, vom Schussgeräusch alarmiert, in das Büro ihres Chefs stürmte.
Karwanke verlor die Nerven.
Er schlug Miriam mit dem Pistolengriff bewusstlos, lief blindlings davon und prallte am Eingang mit mir zusammen.
Er trieb mich mit der Pistole auf sein Auto zu.
Er wollte die Tür aufreißen und war einen Moment abgelenkt.
Mit einem Karategriff schlug ich ihm die Waffe aus der Hand. Dann hatten meine Fäuste freie Bahn.
Minuten später war eine Funkstreife zur Stelle.
Die Beamten fanden in den Taschen des Verhafteten das vollständige Universator-Programm.
»Sie können mir gar nichts nachweisen«, meinte Karwanke.
Aber das war die Rechnung ohne mein Tonband. Einen glatteren Beweis konnte man der Polizei nicht liefern.
Der Fall war ausgestanden.
»Aber ich versteh' das nicht«, sagte Miriam. »Auf der einen Seite war Noske zu feige, sich wegen einer Doppelehe zu stellen …«
»… und auf der anderen tapfer genug, um mich zu Hilfe zu rufen«, ergänzte ich. »Er wußte nicht mehr ein noch aus. Er wollte sich durchlavieren, nach beiden Richtungen. Er wollte der Firma nicht schaden, und er wollte seine Frau nicht verlieren.« Ich warf einen Seitenblick auf Miriam. »Leider hat er schwer dafür bezahlen müssen.«
Wir fuhren nach Mainbach, um das gestohlene Programm zurückzubringen.
Generaldirektor Fährmann, der Chef der Eierköpfe, war erschüttert über das Schicksal Noskes, konnte aber seinen Triumph nicht ganz verbergen, daß es in seinem Haus keine undichte Stelle gab.
Im übrigen lud er uns zu einem Ausflug in ein Weinlokal ein und schlüpfte einen ganzen Abend lang gänzlich aus seinem FLS-Bewußtsein: Er trank, aß mit Appetit, lachte, und ich fragte mich, wie sich diese schlichte Menschlichkeit wohl in seinem Bericht über sein Privatleben ausmachen würde.
»Ich habe noch eine Überraschung für euch«, sagte er und entnahm seiner Brieftasche eine Computer-Prognose in Reinschrift. »Ich habe eure Daten der elektronischen Rechenanlage zum Fraß vorgeworfen«, sagte er schadenfroh. »Es gibt nur eine Konsequenz: Ihr seid die Idealpartner. Das Ehepaar des Jahres.«
»Hat Ihnen der Computer auch gesagt, wie wir uns entscheiden werden?« fragte ich.
»Sehen Sie«, erwiderte Fährmann, »da liegen seine Grenzen.«
»Außerdem haben Sie Ihre elektronische Datenverarbeitung falsch programmiert«, stellte Miriam fest. »Mike befindet sich in festen Händen.«
»Oh«, erwiderte Fährmann. »Gratuliere!«
»Etwas zu früh«, antwortete ich, und wir lachten alle drei.
Die Kellnerin brachte eine neue Flasche und dann noch eine, und damit kam das Ende des Abends noch nicht in Sicht, und es war abzusehen, daß das Kopfzerbrechen von gestern in den Kopfschmerz von morgen münden würde.
9
Keiner hatte je den Präsidenten des weltweiten PHARMA-Konzerns anders gesehen als im dunklen Anzug. Stets wirkte er, als sei er im Marengo-Tuch zur Welt gekommen und würde jeden Abend damit schlafen gehen. Ausgerechnet heute, inmitten der geheimen Vorstandssitzung, wurde ihm trotz des
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