Die ehrenwerten Diebe
angeboten.«
»Woher wissen Sie das?«
»Weil ich mit den Leuten befreundet bin und sie so fair waren, mich davon zu verständigen.«
Das war eine schöne Bescherung, denn die European Air konnte nicht damit rechnen, daß alle Konkurrenzfirmen denselben Anstand beweisen würden.
Die Spur führte nach Mainbach. In die Umgebung dieses idyllischen Weinstädtchens hatte der FLS-Konzern eine Zukunfts-Station gesetzt und in Gemeinschaftsarbeit mit der European Air den universalen Buchungs-Computer (werkintern ›Universator‹ genannt) entwickelt.
Ich jagte mit Miriam über die Autobahn München-Würzburg. Sie versorgte mich unterwegs mit Informationen über ihre Kollegen. Lauter nette Leute. Nichts Außergewöhnliches. Wie alle Angehörigen der Luftfahrtlinie war Miriam davon überzeugt, daß der Dieb in Mainbach zu suchen war.
»Möglich«, erwiderte ich, »aber ich muß nun mal mit meinen Recherchen ganz klein anfangen. Beginnen wir ganz oben, mit dem Generaldirektor persönlich.«
»Der Mann strotzt vor Tüchtigkeit und Energie. In letzter Zeit hat seine Spannkraft etwas nachgelassen. Nicht gerade ein Leistungsabfall, aber eine gewisse Zerstreutheit mitunter. Ich dachte schon, er hätte gesundheitliche Sorgen – aber nun wissen wir ja …«
»Private Schwierigkeiten?«
»Ausgeschlossen«, versetzte Miriam überzeugt.
»Ist das die zweite Frau Noske?«
»Nein«, antwortete sie lachend. »Er war ein alter Hagestolz, so wie du. Vor sechs Jahren hat er sich endlich einfangen lassen. Nimm dir mal ein Beispiel«, setzte Miriam lachend hinzu. »Übrigens eine Musterehe, nicht bloß nach außen hin.«
»Überhaupt nichts Auffälliges in der Firma?«
»Nein«, antwortete sie, »die meisten arbeiten schon seit vielen Jahren in der Zentrale. Wenn du mich fragst: lauter kleine Noskes.«
»Keine Ausnahmen?«
»Kaum«, erwiderte Miriam. »Der eine ist ein bißchen fleißiger, der andere ein wenig lässiger. In der Presse- und Werbeabteilung sitzt ein Herr Karwanke, der sich nicht gerade ein Bein ausreißt. Die Sache ist merkwürdig: Noske kann ihn nicht ausstehen, trotzdem feuert er ihn nicht.« Sie drückte ihre Zigarette aus. »Ich bin eine richtige Tratsch-Suse«, tadelte sie sich. »Vielleicht hat dieser Karwanke seine Meriten. Ich verstehe ja nichts von seiner Arbeit.«
»Kommt er an die Universator-Unterlagen heran?« fragte ich mechanisch.
»Ganz ausgeschlossen.«
»Wer hat Zugang?«
»Jeder nur, soweit es seinen eigenen Fachbereich betrifft, vom Generaldirektor natürlich abgesehen.«
Wir hatten das Mainbacher FLS-Werk erreicht, und ein Experte in der Abwehr von Industriespionage konnte nur seine Freude über die lästigen Sicherheitsvorschriften haben, denen wir uns unterziehen mußten. Bei Miriam, die in den letzten Monaten hier gearbeitet hatte, war es nur eine Formsache. Meine persönlichen Angaben wurden auf Lochkarten übertragen und durch den Empfangs-Computer gejagt.
Man hatte meine Daten eingespeichert. Sekunden später klingelte es bereits, und Herr Fährmann, Chef des Hauses, kam angeflitzt und entschuldigte sich bei mir für die Prozedur.
»Wie Sie sehen«, sagte er, »haben wir uns Ihre Vorträge sehr zu Herzen genommen. Wir gehen dabei noch viel weiter. Sie werden Ihre helle Freude an uns haben.« Er gab Miriam die Hand. »Also, Sie kommen wegen dieser European Air Geschichte?«
Er hatte ein junges Gesicht, umrahmt von schlohweißen Haaren. Er zeigte das selbstsichere Auftreten eines Spitzenmanagers, der jährlich seine Million verdient. Er sprach präzise, sachlich, ohne Höhen, ohne Tiefen, als hätte er seinen Verstand aus der eigenen Denkfabrik bezogen.
Wir hatten den Flügel des Gebäudes erreicht, in dem der Universator arbeitete.
»Bis später«, verabschiedete sich Miriam, die hier zu Hause war, während mich Mainbachs führender Eierkopf in sein automatisiertes Chefbüro geleitete.
»Sie sind mir ein lieber Gast«, sagte Direktor Fährmann mit Nachdruck und verbeugte sich. »Aber bei uns eine undichte Stelle zu vermuten, wäre die reine Zeitverschwendung.«
»Mag sein«, erwiderte ich, durchaus nicht unbeeindruckt, »aber schließlich möchte ich ja auch meine Existenzberechtigung nachweisen.«
»Wir haben den Verrat unmöglich gemacht«, entgegnete Fährmann überzeugt.
Mit solcherlei Worten hatten mich fast immer die Chefs der bedrängten Firmen empfangen, aber bei dem FLS-Konzern lag der Fall ganz anders: Er hatte eine marktbeherrschende Position in der
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