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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Bundesrepublik. Er lieferte zwei von drei Groß-Computern und die entsprechenden Programme. Die elektronischen Roboter, die dieses Haus produzierte, konnten nicht nur einander selbst herstellen, Schach spielen, übersetzen, Pferde züchten, Verbrecher jagen, Sonaten komponieren und Ehen stiften; sie speicherten längst das gesamte Know-how der Industrie: Fertigungsprogramme, Gehaltslisten, Lagervorräte, Auftragsbestände, Finanzierung, Steuerabrechnung usw. – so miniaturiert, daß sämtliche Geheimnisse eines mittleren Werks räumlich in einen Fingerhut gingen.
    Mit diesen Millionen-Geheimnissen – die deutsche Filiale einer Weltfirma verwaltete sie auf kleinstem Raum – mußte sie so vorsichtig umgehen wie mit Dynamit.
    Eine einzige Indiskretion konnte den Ruf der Firma in Stücke reißen.
    Auf dem Weg zur Zentrale passierten wir eine ganze Reihe elektronischer Sperren. Nicht ohne Stolz führte mich der Hausherr dann in den Monitor-Raum. Es war ein riesiges Kontrollzentrum. An die 200 Bildschirme bewachten ununterbrochen jeden Winkel des Hauses.
    »Unsere Mitarbeiter wissen das natürlich«, erläuterte Generaldirektor Fährmann. »Sie haben sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt.«
    Wir betrachteten uns die Übertragung aus einem Super-Sauber-Halte-Raum. An die zwanzig Mädchen arbeiteten an kleinen Tischen. Sie trugen sterile weiße Kittel und unförmige Schuhe. Es wirkte fremd und unwirklich, wie eine Station aus dem Jahr 2000.
    »Sehen Sie, da, ganz links«, sagte der Hausherr.
    Ich hatte es übersehen: Tatsächlich unterhielten sich zwei Astral-Mädchen.
    Fährmann drückte auf einen Knopf und schaltete dadurch das Mikrofon ein. Aus einem futuristischen Alptraum wurde eine kleinstädtische Idylle.
    »Und ich sag' dir«, erzählte die linke der beiden Weißkittel, »ich habe genug von ihm. Ich geb' ihm den Laufpass.«
    »Es kommt nichts Besseres nach«, erwiderte die andere altklug, und wir blendeten uns aus dem Gespräch aus.
    Wir kehrten ins Chefbüro zurück.
    »Wir können uns nicht damit begnügen, unsere Mitarbeiter hier im Haus stets im Blickfeld zu haben«, erläuterte der FLS-Spitzenmanager. »Wir haben dieses Kontrollsystem auch auf das Privatleben ausgedehnt. Wer in diesem Hause arbeitet, schreibt uns mindestens jeden Monat einen Bericht. Er schildert seine häuslichen Schwierigkeiten, nennt sein Sparkonto, deklariert alle Anschaffungen über fünfzig Mark, schildert seine Freizeitbeschäftigung und äußert sich über Urlaubspläne.«
    »Überwachen Sie das durch Stichproben?«
    »Natürlich«, versetzte Fährmann. »Aber das geht noch viel weiter. Mindestens zweimal im Jahr stellt sich jeder Arbeitnehmer seinem unmittelbaren Vorgesetzten zu einem intimen Gespräch. Wenn Sie so wollen, einer Art weltlichen Ohrenbeichte.«
    »Jeder?« fragte ich. »Wer kontrolliert zum Beispiel Sie, Herr Fährmann?«
    »Ich fahre zum FLS-Chef nach Paris.«
    »Und dieser?«
    »Fliegt zweimal im Jahr nach London.«
    »Und Ihr Mann in London?«
    »Unterzieht sich in Amerika diesem Kreuzverhör.«
    Dieses Verfahren war grandios und grausig – vielleicht ein Vorschuss auf den weniger erfreulichen Teil unserer Zukunft.
    »Wie gesagt, alles freiwillig«, stellte der Hausherr fest, »und natürlich mit reichlichen Sonderzulagen honoriert.«
    »Und das halten die Leute durch?«
    »Nicht alle und nicht unbeschränkt. Wer diesen stummen Überwachungsterror nicht aushält, kann sich auf einen weniger heißen Posten melden, ohne dadurch seine Karriere zu gefährden.«
    Er knipste den Monitor auf seinem Schreibtisch an, stellte ihn auf den Kontrollraum ein und schaltete dann um auf die Universator-Abteilung. Die sensationelle Neuentwicklung war ein schmuckloser Stahlkasten, der neben Miriam, die ebenfalls einen weißen Kittel trug, zwangsläufig noch unscheinbarer wirkte.
    »Was halten Sie von unseren Sicherheitsbestimmungen?« fragte mich Fährmann.
    »Soweit perfekt«, antwortete ich. »Technisch wenigstens. Gegen menschliches Versagen kann Sie nichts schützen. Wer hindert einen ungetreuen Mitarbeiter daran, sich bestechen zu lassen, einen Koffer voll Geld – sagen wir – in die Schweiz zu schaffen und dort ein Ziffernkonto anzulegen?«
    »Das ist zum Glück noch nicht vorgekommen«, erwiderte der FLS-Gewaltige ein wenig pikiert.
    »Im übrigen haben wir im Haus eine Prämie von hunderttausend Mark für Vorschläge ausgesetzt, die das Sicherheitsrisiko mindern.«
    Sein computerglattes Gesicht leistete sich

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